Den Goldstandard der Angsttherapie hat die Sympatient GmbH mit ihrer Invirto-App aufs Smartphone gebracht, gerade in Pandemie-Zeiten ein Segen für Patienten wie Therapeuten. Die digitale Innovation überzeugte die Experten der Auswahljury des Deutschen Gründerpreises. Sie nominierten das Hamburger Unternehmen in der Kategorie StartUp 2021. Welcher der jeweils drei Finalisten in den Kategorien »Aufsteiger« und »Startup« die begehrte Trophäe gewinnt, erfahren die Kandidaten bei der Preisverleihung am 14. September 2021 im ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin.
Zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden an Angststörungen. Die Invirto-App von Sympatient könnte mehr als der Hälfte von ihnen helfen. Was klingt wie ein Smartphone-Gadget ist ein vielversprechendes, digitales Medizinprodukt, das sich Virtual Reality (VR) zunutze macht. Entwickelt wurde die digitale Psychotherapie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck von Neurowissenschaftler Julian Angern (28). Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Christian (28) und dessen Kommilitone Benedikt Reinke (29) gründete er 2017 die Sympatient GmbH in Hamburg, die Invirto als verschreibungspflichtiges Medizinprodukt anbietet. 500 Patienten profitieren derzeit von der neuen Methode digitaler Therapie. Früh setzte die Techniker Krankenkasse (TK) auf Invirto. Die TK ist mit mehr als 10,7 Millionen Versicherten Deutschlands größte Krankenversicherung. Inzwischen wird Invirto von allen gesetzlichen Krankenkassen vollständig erstattet.
»Wir sehen uns eigentlich als Gründer-Drillinge«, sagt Zwilling Christian, »mit Ben habe ich dank Studium in den letzten zehn Jahren mehr Zeit verbracht als mit meinem Bruder.« Christian und Benedikt hatten an der englischsprachigen Jacobs University in Bremen Wirtschaftswissenschaften studiert. Für das Auslandssemester zog es Christian nach Harvard und zum Master nach Cambridge, Benedikt studierte an der London School of Economics, während Julian in Lübeck insgeheim an seiner Idee arbeitete, die Konfrontationstherapie – der »Goldstandard« bei Angststörungen – in die Digitalwelt zu transferieren. »Sowohl vor als auch während meines Psychologie-Studiums war ich Praktikant auf einer Station für Angst- und Zwangserkrankungen, weil mich das Thema so fasziniert hat und der dortige Oberarzt sehr interessiert daran war, Wissen weiterzugeben. Parallel dazu habe ich mit Virtual Reality experimentiert und dabei herausgefunden, dass man Exposition fantastisch über VR abbilden kann.« Unter Exposition verstehen Psychologen die Auseinandersetzung des Patienten mit dem, was ihm Angst macht. Mit verschiedensten Versuchsanordnungen am Uni-Klinikum in Lübeck transferierte Julian Angern die klassische Expositionstherapie ins Digitale. »Im Gegensatz zu Christian und Benedikt hatte ich allerdings keinerlei Ahnung, wie man das als fertiges Produkt an den Markt bringen könnte.«
Angststörungen sind die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung, in Deutschland und weltweit, die meisten leiden an einer Form von Platzangst, wo ein voller Supermarkt oder ein leerer Marktplatz zum Problem werden kann. Weit verbreitet sind zudem Panikattacken und Sozialphobien, etwa die Angst vor einem Gespräch mit dem Vorgesetzten. »Aus unseren Recherchen wissen wir, dass zu viele Menschen unbehandelt bleiben, weil die Hürden zur Versorgung zu hoch sind«, erklärt Gründer Benedikt Reinke. »Wir hatten zunächst die These aufgestellt – und später bestätigt – dass wir unsere VR-Technologie aufs Handy bringen müssen, um sie den Leuten per App nach Hause schicken zu können. Virtual Reality ist für die ›digitale Expositionstherapie‹ essenziell!« Grundlage bleibt ein psychotherapeutisches Konzept, die digitale Behandlung wird ärztlich begleitet. Drei Jahre, bis Februar 2020, dauerte die Entwicklung der »Invirto«-App, der Markenname ist vom lateinischen »in vivo«, also »im Lebendigen«, abgeleitet.
Patienten können sich selbstständig an die Sympatient-Therapieberatung wenden um sich über Invirto zu informieren. Da es sich dabei jedoch um ein verschreibungspflichtiges Medizin-Produkt handelt, ist ein Diagnosegespräch mit einem Psychotherapeuten unerlässlich. Er entscheidet, ob Invirto für die Behandlung das Richtige ist. Gibt er grünes Licht, schickt Sympatient die »Invirto«-VR-Brille an den Patienten, die Therapie auf der Smartphone-App kann starten.
Die Finalisten in der Kategorie Startup, ein- bis maximal dreijährige Unternehmen, die ihre Geschäftsidee besonders erfolgreich am Markt etabliert haben, sind:
»SoSafe GmbH«, Köln: Mit ihrer Trainings- und Sensibilisierungsplattform hilft SoSafe Unternehmen, die Belegschaft als »menschliche Firewall« zu aktivieren, denn neun von zehn Cyber-Angriffen starten mit dem Faktor Mensch. Größtes Einfallstor für Cyber-Attacken sind nach wie vor Phishing-Mails. Die EU-Agentur für Cybersicherheit spricht von einem coronabedingten Phishing-Mail-Anstieg auf das Siebenfache. Solche Mails zu simulieren ist essenzieller Bestandteil der SoSafe-Lösung.
Sympatient GmbH, Hamburg: Zehn Millionen Menschen in Deutschland leiden an Angststörungen. Die Invirto-App von Sympatient könnte mehr als der Hälfte von ihnen helfen. Sie bringt den »Goldstandard der Angsttherapie«, die sogenannte Exposition, aufs Smartphone. Die App kombiniert klassische Therapie mit Virtual Reality und transferiert sie ins Digitale. Das vielversprechende, digitale Medizinprodukt des jungen Unternehmens wird von allen gesetzlichen Krankenkassen erstattet.
»yuri GmbH«, Meckenbeuren: Laborversuche in Schwerelosigkeit einfacher, schneller und kostengünstiger ermöglichen – auf Parabelflügen oder auf der Internationalen Raumstation ISS: Mit einem ausgeklügelten Baukastensystem aus Mini-Laboren hat »yuri« die »Demokratisierung der Schwerelosigkeit« zum Geschäftsmodell erklärt. Versuche sind ab 10.000 Euro möglich, zur ISS gehts ab 95.000 Euro. Elf Mal schon absolvierte das Team erfolgreiche Missionen auf die Internationale Raumstation.
In der Kategorie »Aufsteiger« werden Unternehmen ausgezeichnet, die nicht älter als neun Jahre sind und bereits ein außerordentliches Wachstum erreicht haben. Nominiert sind in diesem Jahr –
Hydrogenious LOHC Technologies GmbH, Erlangen: Grüner Wasserstoff ist in vielen Industrien für die Transformation zur Klimaneutralität essenziell, von der Stahlerzeugung bis zur Glasherstellung. Mit Hilfe der von Hydrogenious entwickelten LOHC-Technologie kann grüner Wasserstoff gefahrlos und effizient gelagert und transportiert werden: Das leicht entzündliche Gas wird an ein Öl gebunden, später wird es wieder freigesetzt. Das Öl selbst wird wiederum für die nächste Ladung benutzt.
Nect GmbH, Hamburg: Über 3,5 Millionen Identitäten hat die Nect GmbH mit ihrer »Selfie-Ident«-App bereits verifiziert, täglich kommen bis zu 20.000 weitere dazu. Das innovative Verfahren kombiniert Selfie-Videos mit künstlicher Intelligenz, überprüft die Echtheit des Ausweisdokuments anhand der Sicherheitsmerkmale und die Lebendigkeit des Nutzers anhand der Muskelbewegungen im Gesicht. Der Gang zur Postfiliale oder lange Wartezeiten beim Videogespräch mit einem Agenten entfallen.
Wildling Shoes GmbH, Engelskirchen: Ein Großteil der Menschen ist wegen einengender Schuhe fußkrank. Wildling hat seinen innovativen Ansatz, Füßen möglichst viel Freiheit zu lassen, kompromisslos und erfolgreich umgesetzt, dafür Fans in aller Welt gewonnen. Der Schuh wurde völlig neu konstruiert, zu den verwendeten Materialen zählt sogar Papier. Mit einer Dicke ab 1,5 Millimeter ermöglicht die Wildling Sohle, den Untergrund wieder aktiv wahrzunehmen und trainiert zudem die Muskulatur.
Die sechs Finalisten erhalten eine individuelle, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Beratung durch die Porsche Consulting. Zudem übernehmen Mitglieder des Kuratoriums des Deutschen Gründerpreises über einen Zeitraum von zwei Jahren Patenschaften für jeden Finalisten und stellen ihr Know-how und ihre Erfahrungen zur Verfügung. Die Unternehmen erhalten außerdem ein Medientraining beim ZDF sowie Zugang zum Netzwerk des Deutschen Gründerpreises.
Vorgeschlagen wurden die Unternehmen durch die rund 300 Experten des Deutschen Gründerpreises. Sie stammen aus renommierten Unternehmen, Technologiezentren, Ministerien, Gründungsinitiativen und der Sparkassen-Finanzgruppe. Die Experten verfügen über jahrelange Erfahrungen mit Unternehmensgründungen und sehr gute Branchenkenntnisse. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützt den Deutschen Gründerpreis.