#Open #Art #Museum St. #Gallen: Karl Uelliger, »Mit Wolken gehen möchte ich wandern«, 5. September 2024 bis 23. Februar 2025

  • Sammlungsausstellung mit Werken aus dem Nachlass der Karl und Hanna Uelliger Stiftung

St. Gallen, 4. September 2024

Karl Uelliger (1914 bis 1993) hat in 37 Jahren ein beeindruckendes Œuvre geschaffen, das Gemälde, Zeichnungen, Holzschnitte, Hinterglasmalereien, Skulpturen und Objekte umfasst. Der Autodidakt aus Saanen ist besonders für seine atmosphärischen Stimmungsbilder bekannt. Die nach seinem Tod gegründete Karl und Hanna Uelliger Stiftung verfolgte das Ziel, sein Werk lebendig zu halten. Mit der Übergabe des Nachlasses an das Open Art Museum wurde dieser Zweck erfüllt, und die Stiftung 2019 aufgelöst. Bereits 2008 schenkte die Stiftung dem Museum 14 Arbeiten. Die aktuelle Ausstellung würdigt mit Uelligers Schaffen auch diese grosszügigen Schenkungen von insgesamt 462 Werken und umfangreichem Dokumentationsmaterial. Daraus geben 102 Exponate, darunter Gemälde und Zeichnungen, zwei bemalte Bauernschränke, Skizzen, diverse persönliche Dokumente und die Staffelei aus seinem #Atelier Einblick in sein Künstlerleben. Drei Bereiche stehen im Fokus: Karl Uelligers Selbstverständnis als Künstler, das Naturerleben als Inspirationsquelle und der Genesiszyklus, in dem sein unverkennbarer Stil und Kolorit zur Geltung kommen. Nicht zuletzt wird auf Hanna Uelliger und ihre Rolle als »Schicksalswenderin« (Armin Müller) eingegangen. 

»Nach dem hohen Berg der #Malerei« zieht es Karl Uelliger sein Leben lang. Doch erst mit 42 Jahren, nach einigen Schicksalsschlägen, kann er sich ganz der künstlerischen Arbeit widmen. Seine Bilder finden bald einen Kreis von Liebhabern und Sammlerm im Inlandund Ausland. 1963 findet seine erste Einzelausstellung in der Galerie Zünd in St. Gallen statt, auf die bis heute zahlreiche weitere folgen.

Karl Uelligers Bilder sind hintergründig und berühren unmittelbar. Auf seinen regelmässigen Wanderungen lässt er sich von der Natur inspirieren. Er tritt in Dialog mit Bäumen, Sonne, Wind und Tieren, erfindet #Geschichten, trägt Gedanken und Skizzen zusammen. Die gesammelten Eindrücke schlummern teils lange in seinem Unterbewusstsein, bis sie sich zu Bildern formen. Durch eine märchenhafte Atmosphäre mit fantastischen Elementen zeichnen sich seine späteren Werke aus, von denen einige Zeichnungen und Aquarelle ausgestellt sind. Es habe ihn in späteren Jahren »zu reinen Phantasiebildern gedrängt, in denen der Maler seine ganz ihm eigene Welt aufbauen kann.«

  • Kuratorin Isabelle Zürcher, 102 ausgestellte Objekte

Karl Uelliger (1914 bis 1993) – Werke aus der Schenkung der Karl und Hanna Uelliger Stiftung: auf dem Weg »zum hohen Berg der Malerei«

Karl Uelligers Lebensweg beeindruckt. Wie viele Rückschläge und Hindernisse er zu überwinden vermochte, ist aussergewöhnlich. In sehr armen Verhältnissen aufgewachsen, schlägt er sich unter anderem als Lehrling in einer Bäckerei, Pferdeknecht, Holzfäller, Bahnhofsgehilfe, Hotelportier, Fabrikarbeiter und Spitalhelfer durch. Er besiegt seine Alkoholsucht und übersteht eine Gehirnoperation. 1950, das Jahr in dem Karl Uelliger Hanna Josefa Elisabeth Pia Montfort (genannt Hanna) aus Freiburg im Breisgau heiratet, nennt er das «wichtigste Jahr meines Lebens». Sie lernen sich in Kilchberg am Zürichsee kennen, wo sich Karl Uelliger 1949 niederlässt und sie als Glätterin in einer psychiatrischen Klinik arbeitet. Hanna Montfort ist eine gebildete Frau, sie liest viel, spielt Klavier, ist blumen und kräuterkundig. Ab 1958 führt Hanna Uelliger erfolgreich die Werkkantine der Stickerei Hans Nüesch & Co. in Heerbrugg und kümmert sich um die geschäftliche Seite des Künstlerdaseins ihres Mannes. Ab diesem Zeitpunkt kann sich Karl Uelliger ganz der Kunst widmen. Er lernt Verse von Goethe (z.B. die Metamorphose der Pflanzen und Faust I) auswendig und besucht von 1959 bis 1963 einmal wöchentlich Abendkurse in «Akt und Naturzeichnen» bei Jakob Nef an der Kunstgewerblichen Abteilung der Gewerbeschule St. Gallen, distanziert sich jedoch bewusst vom Gelernten (Simone Schaufelberger Breguet, 2013). 1961 findet eine erste Ausstellung in Balgach im Rheintal statt, ein Jahr später nimmt Karl Uelliger im Kunstmuseum St. Gallen an einer Gruppenausstellung von Voralberger und Rheintaler Künstlern teil. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Seine Bilder finden schnell einen Kreis von Liebhaber und Sammler im Inland  und Ausland. Bis zu seinem Lebensende folgen zahlreiche Gruppen und Einzelausstellungen. Das Paar wohnt ab 1968 in einem alten Bauernhaus in Dicken, das Karl Uelliger über Jahre innen und außen bemalt und zu einem Gesamtkunstwerk wandelt.

Im Künstlerdasein angekommen

Zum Auftakt der Ausstellung begegnet uns der Künstler ganz in der Tradition des Künstlerselbst porträts mit Malerkittel und Pinsel vor der Staffelei stehend, den Blick ernst aus dem Bild gerichtet. Auf seiner Staffelei, die in seinem Atelier im Uelligerhaus in Dicken (Toggenburg) gestanden ist, steht ein weiteres Selbstporträt, das einen eigenständigeren, für Uelliger charakteristischen Stil aufweist. Mit übergrossem Pinsel malt er sich selbst als kleine Figur, die das bildfüllende Porträt seiner Mutter malt. Der Bildtitel Mutter ich bin Maler geworden (1967/68) drückt Stolz über das Erreichen eines langersehnten Ziels aus. Vor dem Hintergrund seiner Biografie wird klar, dass die beiden Porträts über eine blosse Selbstdarstellung hinaus gehen.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein Hauptwerk zu sehen: die Genesis (1967 und 1968). In seiner freien, weichen Formensprache und charakteristischem Kolorit, schildert Uelliger die Schöpfungsgeschichte in acht Gemälden. Sein gekonnter Farbgebrauch verleiht den Bildern eine Leuchtkraft, die das mystische Geschehen unterstreicht und die Genesis als Ausdruck universeller Schöpfungskraft darstellt.

Vom Naturerlebnis zur Bildwerdung

Ein weiterer Bereich der Ausstellung ist dem Verhältnis von Mensch und Natur gewidmet. Auf den vielen Wanderungen, die Karl Uelliger regelmässig unternimmt, sucht er die bewusste Begegnung mit der Natur. Mal ist sie gütig und sanft, mal gefährlich und wild wie im Gemälde Bauer im Gewitter (1963). Pflanzen, Steine, Berge, Flüsse und Wetterereignisse wie Wind und Donner sind für ihn beseelt. Er tritt mit ihnen in Dialog, erfindet Geschichten trägt Gedanken und Skizzen zusammen. Die gesammelten Eindrücke schlummern teils lange in seinem Unterbewusstsein bis sie sich zu Bildern wie dem Lawinenboten (1968) formen und ihren Weg aufs Papier finden.

In seinen frühen Temperagemälden malt der Autodidakt oft Bauern und Sennen bei der Arbeit. Wichtiger als eine detaillierte Wiedergabe von Formen ist ihm dabei die atmosphärische Wirkung. Die Kälte einer Winternacht in Heuschlittner am Abend (1964), das in Rosatöne früher Morgenstunden getauchte Bergpanorama, die sich dunkelgrün schwarz zusammenballende Atmosphäre eines Gewitters, ein lauer Sommernachmittag auf einer Blumenwiese – Karl Uelligers Bilder berühren unmittelbar. Ohne formale künstlerische Ausbildung gelingt es ihm, eine Darstellung auf ihre Essenz zu verdichten. Die Sicherheit der Komposition mit teils kühnem Bildaufbau und der sparsame Umgang mit erzählerischen Elementen lassen Raum für eigene Assoziationen und Narrationen.

Fortwährendes Staunen über das Alltägliche

Das menschliche Dasein, eingebunden in den Zyklus von Werden und Vergehen, ist das zentrale Thema in der Bemalung der Bauernschränke. Karl Uelliger orientiert sich hier an der Motivik traditioneller Hochzeitsschränke, insbesondere an den Seitenwänden zeigt sich ein freierer Stil. Auf eigenständige, besonders anrührende Weise setzt Uelliger das Thema Partnerschaft im zentral hängenden Gemälde Aufgehender Mond (1964) bildnerisch um. Es zeigt ein Paar unter schweren Decken und mit Mützen vor Kälte geschützt schlafend im Bett. Ihre Körper bilden eine leichte Dreiecksform und berühren sich nicht. Dennoch strahlt das Bild eine grosse Verbundenheit aus. Die Wärme und einander Zugewandtheit, die das Paar in Fotografien zeigen und die aus Tagebucheinträgen sprechen, legen die Vermutung nahe, dass dem Ehepaar Uelliger eine innige Partnerschaft vergönnt war.

In Uelligers späteren Zeichnungen und Aquarellen rücken unmittelbare Erlebnisse als visionäre Traum und Stimmungsbilder in den Vordergrund. Das Naturerleben ist seine wichtigste Inspirationsquelle. Seine animistische Prägung und sein Vermögen, Alltägliches in märchenhaft anmutenden Szenen zu verwandeln, lassen ahnen, wie ihn seine Fantasie über dunkle Momente retten konnte. Das bildnerische Werk wird durch poetische Titel, Wortschöpfungen, Notizen und Tagebucheinträge begleitet, die Einblick in Uelligers Gedankenwelt geben. Daraus geht hervor, wie er Alltägliches und immer Wiederkehrendes wie der Wechsel der Jahreszeiten jedes Mal aufs Neue intensiv erlebt, als wäre es das 1. Mal. Sein Staunen über Welt, über die kleinen und grossen Dinge bricht nicht ab und bietet ihm eine reiche Fülle an künstlerischem Material. Der St. Galler Verleger und Galerist Louis Ribaux charakterisiert #Karl #Uelliger als »Realist in dem Sinne, wie die Märchen realistisch sind, weil sie menschliche Grenzerfahrungen nicht verwischen, nicht verniedlichen, sondern verdichten […] es wird mit der Materie als dem Nur Sichtbaren gerungen, mit der Einsamkeit, und die Natur ist nicht nur gütig. Licht und Dunkel gehören zusammen.«

Open Art Museum, im Lagerhaus, Davidstraße 44, 9000 St. Gallen, Schweiz, mehrExternal Link …