Diakonie Gütersloh: »Alle haben echtes Potenzial«, Wohnangebot »Freiraum« der Wohnungslosenhilfe unterstützt junge Menschen im Alter von 18 bis 21 Jahren
Gütersloh, 21. März 2023
Es sind Dinge, die andere Jugendliche zuhause mit auf den Weg bekommen: wie man Finanzfragen klärt, Anträge stellt, auf seine Gesundheit achtet, clever einkauft, Zukunftspläne schmiedet … was aber, wenn es solch eine Unterstützung nicht gab? Wenn jemand noch dazu ohne Unterkunft oder in einer schwierigen Situation lebt? 5 junge Männer und drei Frauen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren erhalten zurzeit die Chance, über das Wohnangebot »Freiraum« der Wohnungslosenhilfe (WLH) der Diakonie Gütersloh in »eigenen 4 Wänden« unterzukommen. Begleitet von Sozialarbeitern werden sie hier fit für ein selbstständiges Leben.
»Ziel von Freiraum ist, dass die jungen Menschen später selbst eine Wohnung finden und diese auch langfristig halten können«, erklärt Sozialpädagogin und Betreuerin Katrin Giersiepen.
2018 fiel der Startschuss für das Vorhaben. Zunächst meldeten sich viele junge Menschen selbst bei der Wohnungslosenhilfe. Inzwischen ist das Jugendamt der übliche Zugangsweg. Oft werden Jugendliche aus anderen Einrichtungen geschickt, was manche der Betroffenen offenbar als Vorteil empfinden. »Denn bei uns besteht Freiraum«, berichtet Sozialarbeiter Johannes Orth. Regeln sind weniger starr als anderswo. Eine Rufbereitschaft ist nicht erforderlich. Von Montag bis Freitag sind die WohnbetreuerInnen erreichbar. Sie treffen sich mit den jungen Menschen vor Ort in den Wohnungen, bei den Ausbildungsstätten oder im Büro der Diakonie. Die Betreuung wird von den Jugendämtern finanziert. Die Wohnkosten übernimmt das Jobcenter oder ein anderer Sozialleistungsträger.
»Nicht wie bei Schöner Wohnen«
Eigener Wohnraum bildet die Basis des Programms: Drei Einzel Appartements sowie Zimmer in einer Zweier und einer Dreier WG stehen zur Verfügung. Alle befinden sich in Mehrfamilienhäusern irgendwo in Gütersloh. Die Grund Möblierung stellt die Diakonie zur Verfügung: Tisch, Stühle, Bett, Schrank oder Kommode, Regal. »Nicht wie bei Schöner Wohnen«, so Katrin Giersiepen. Allerdings sei die Küche komplett ausgestattet. »Auch mit Geschirr und Haushaltsutensilien. Denn diejenigen, die zu uns kommen, die haben nichts.«
»Das Potenzial zu fördern, macht richtig Spaß«
»Wenn junge Menschen bei uns ankommen, ist schon einiges schief gelaufen«, sagt die Sozialpädagogin. Viele haben die Schule abgebrochen und wissen nun nicht, wie es weitergeht. »Aber alle haben echtes Potenzial«, betont Johannes Orth: »Und das zu fördern, macht richtig Spaß.«
Als Kostenträger von Maßnahmen nach Paragraph 41 Sozialgesetzbuch VIII (»Hilfen für junge Volljährige«) entscheiden die Jugendämter im Einzelfall, ob »Freiraum« die passenden Hilfen bietet. Das letzte Wort vor dem Einzug haben jedoch immer die SozialarbeiterInnen der Diakonie. »Wichtig ist, dass man miteinander arbeiten kann«, heißt es. »Manche KandidatInnen wurden von einer Jugendhilfe Einrichtung zur nächsten geschickt«, berichtet Katrin Giersiepen, »darunter nicht wenige sogenannte ›Systemsprenger‹: Menschen, die im Rahmen der Jugendhilfe als nicht mehr betreubar gelten. Einer dieser ‚hoffnungslosen Fälle‘ kam zu uns ins Programm und ist tatsächlich drei Jahre geblieben«, erinnert sich Katrin Giersiepen. So etwas gelinge aber nicht immer.
Ehrlichkeit ist das A und O
Deshalb gilt eine wichtige Voraussetzung, um in »Freiraum« aufgenommen zu werden: »Man muss schon ein bisschen allein klarkommen, zum Beispiel allein Bus fahren, Termine einhalten, mitwirken an der Hilfe – sonst macht unsere Hilfe zur Verselbständigung keinen Sinn«, erläutert Katrin Giersiepen. »Drogenkonsum ist kein Ausschlusskriterium für die Hilfe. Allerdings gilt: Nicht in der Wohnung, und ihr müsst offen mit eurem Problem umgehen. Ehrlichkeit ist sowieso das A und O.«
Immer mehr junge Frauen melden sich bei der WLH
Zum Auftakt im Jahr 2018 nahmen vor allem junge Männer am Projekt teil. Inzwischen fragen zunehmend junge schutzbedürftige Frauen an. »Sie haben Probleme in ihren Familien und wenden sich ans Jugendamt«, berichtet Sozialarbeiterin Insa Rieping. Manche möchten auch weit weg von ihrer Familie untergebracht werden. Eine versteckte Schutzeinrichtung ähnlich einem Frauenhaus sei das Projekt aber nicht. Die TeilnehmerInnen werden offiziell mit ihrem Wohnsitz angemeldet; der Name steht am Briefkasten.
»Alle suchen Wohnraum – wir auch«
Der Ausbau von »Freiraum« wird unter anderem durch Spenden finanziert. So hat der »#Lions Club Gütersloh #Teutoburger Wald« im vergangenen Jahr die komplette Ausstattung einer Wohnung übernommen.
Ein Problem treibt die WLH besonders um: »Alle suchen Wohnraum – wir auch«, so Katrin Giersiepen. »Zum einen für unsere jungen TeilnehmerInnen, die bald 21 werden, und zum anderen für das Projekt Freiraum selbst. Der Wohnungsmarkt ist eine Katastrophe – ich weiß manchmal nicht, was ich den jungen Menschen noch sagen soll. Sie wünschen sich einfach eine Chance von den Vermietern. Zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, das wäre die Krönung.«
Zahlen, Daten und Fakten zur Wohnungslosenhilfe (WLH) in Gütersloh
Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich die Wohnungslosenhilfe der Diakonie Gütersloh für Menschen, die von Wohnungsnot betroffen sind. »Im Jahr 2023 konnte durch unsere Hilfestellung in über 40 Fällen Wohnungslosigkeit überwunden oder verhindert werden«, berichtet Jan Sassenberg, Leiter der Wohnungslosenhilfe der #Diakonie Gütersloh.
Unterkunft und Hilfe für bis zu 40 Menschen jährlich bietet das betreute Wohnen der Diakonie mit seinen 18 Wohnplätzen. In den stadtnah gelegenen Wohngemeinschaften und Einzelappartements können Menschen in sozialen Notlagen, aus der Haft Entlassene und Menschen mit Suchtproblemen und psychischen Problemen wieder Fuß fassen und einen Neustart wagen. »Hinzu kommen Dutzende von Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, die wir ambulant unterstützen, um so den Wohnungsverlust zu verhindern«, so Jan Sassenberg weiter.
Die Fachberatungsstelle der Diakonie Gütersloh hat im vergangenen Jahr über 400 Hilfesuchende beraten. »Es gibt weit mehr Beratungsanfragen, als wir annehmen können«, so Jan Sassenberg. »Die Wartezeit für Beratungsgespräche und Postanmeldungen beträgt in Stoßzeiten leider bis zu 2 Wochen, aber dringende Fälle bekommen immer Priorität.«
Pro Jahr stellen die Berater der Diakonie über 600 postalische Erreichbarkeitserklärungen aus. Durch diese Postadressen können jedes Jahr mehr als 400 Menschen Sozialleistungen beantragen.
Mehr als 1.000 Beratungsgespräche werden jährlich dokumentiert und statistisch erfasst. Die Gesamtzahl der sogenannten Klienten Kontakte liegt sogar bei mehr als 3.000. Denn Kurzberatungen, Postausgaben, Telefonate und Gespräche im »Café Kanne« bleiben in Gütersloh bisher undokumentiert.
Foto: Diakonie Gütersloh e. V., Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen
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