Kriebelmücken: Zunahme der Blutsauger in Deutschland erwartet, Goethe Universität Frankfurt am Main
Frankfurt am Main, 23. Februar 2024
Forscher der #Goethe #Universität und des Senckenberg Biodiversität und #Klima #Forschungszentrums in Frankfurt haben erstmalig die räumlichen Verbreitungsmuster von Kriebelmücken in Hessen, #Nordrhein #Westfalen, Rheinland Pfalz und Sachsen modelliert. In der im renommierten Fachjournal »Science of the Total Environment« erschienenen Studie zeigt das Forschungsteam, dass in Deutschland #Kriebelmücken in 3 Gruppen eingeteilt werden können, die sich in ihren Verbreitungsmustern und ökologischen Ansprüchen unterscheiden. Die Forscher warnen davor, dass insbesondere die medizinisch relevanten Arten durch den voranschreitenden globalen Klima und Landnutzungswandel vermehrt auftreten könnten.
Sie sind nur 2 bis 6 Millimeter groß, ihr Aussehen ähnelt dem harmloser Stubenfliegen, doch ihre Stiche sind sehr unangenehm: Kriebelmücken (Simuliidae). Die flugfähigen und überwiegend schwarzen Insekten gehören zu den »Poolsaugern«: Weibliche Tiere raspeln mit scharfen »Zähnchen« die Haut des Wirts auf und nehmen anschließend den sich dort bildenden Blutstropfen zu sich. »Durch die von den Mücken in die Wunde eingetragenen gerinnungshemmenden und betäubenden Substanzen können die Stiche schwerwiegende allergische Reaktionen auslösen, oder es kann zu bakteriellen Sekundärinfektionen kommen«, erklärt Prof. Dr. Sven Klimpel vom #Senckenberg #Biodiversität und Klimaforschungszentrum, der #Goethe #Universität Frankfurt, dem LOEWE Zentrum für Translationale Biodiversitätsgenomik (TBG) und dem Fraunhofer IME Gießen und fährt fort: »Kriebelmücken sind zudem vektorkompetent, also in der Lage, durch ihren Stich Infektionskrankheiten auslösende Erreger zu übertragen.« Der bekannteste durch Kriebelmücken übertragene Erreger ist der auf dem afrikanischen Kontinent heimische Nematode Onchocerca volvulus, welcher die sogenannte Onchozerkose (»Flussblindheit«) auslösen kann. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erlitten durch die Krankheit weltweit bereits über 1,15 Millionen Menschen einen Sehverlust.
Erstautorin Sarah Cunze von der Goethe Universität Frankfurt erläutert: »Etwa 98 Prozent der insgesamt 2000 auf allen Kontinenten – mit Ausnahme der Antarktis – vorkommenden Kriebelmückenarten ernähren sich von Blut. Dies ist für die Entwicklung ihrer Eier unerlässlich. In Deutschland wurden bisher 57 Kriebelmückenarten beschrieben. Anhand von 1.526 Datensätzen aus Hessen, Nordrhein Westfalen, Rheinland Pfalz und Sachsen haben wir die 12 häufigsten dort heimischen Arten in drei biogeografische Gruppen unterteilt: Arten, die an Gewässeroberläufen leben, über verschiedene Landschaften weit verbreitete Arten und Tieflandarten.«
Für die 3 Gruppen sagen die Forscher in ihrer aktuellen Studie unterschiedliche Populationsentwicklungstrends unter dem voranschreitenden globalen Klima und Landnutzungswandel voraus: Die Gruppe der Arten mit einem Verbreitungsschwerpunkt in den Gewässeroberläufen wird aufgrund steigender Temperaturen und zunehmender chemischer Belastung der Gewässer als potentiell gefährdet eingeschätzt. Arten der 3. Gruppe hingegen, zu denen insbesondere auch veterinär und humanmedizinisch relevante Kriebelmückenarten zählen, zeichnen sich durch breitere Nischen und somit eine höhere Toleranz gegenüber anthropogenen Veränderungen aus. Diese Arten könnten durch den anthropogenen Wandel gefördert werden und ausgehend von ihrem bisherigen Verbreitungsschwerpunkt in größeren Flüssen des Tieflandes in Zukunft häufiger auftreten. Medizinisch relevante Arten zeichnen sich durch ein besonders aggressives #Stechverhalten gegenüber Säugetieren und Menschen aus und treten häufig in sehr hoher Zahl auf. »Nachbarländer wie beispielsweise Polen reagieren auf dieses Massenauftreten, welches durch einen synchronisierten Schlupf der aquatisch lebenden Larven gefördert wird, damit, dass Vieh in Gebieten mit bekanntermaßen hohem Vorkommen während der betreffenden Zeiträume nur im Stall gehalten oder nur nachts auf die Weide gelassen wird. Zukünftige höhere Temperaturen könnten zu verkürzten Entwicklungszeiten, zu mehr Generationen pro Jahr und damit insgesamt zu einem häufigeren Auftreten von Kriebelmücken führen«, fügt Cunze hinzu.
In weiteren Arbeiten möchte das Team seine Ergebnisse mit empirischen Tests untermauern sowie durch Labortests klären, inwieweit Simuliiden Arten in der Lage sind, bestimmte Infektionskrankheiten auslösende Erreger unter den derzeit in Europa herrschenden Bedingungen zu übertragen. »Die aus den Ergebnissen unserer Studie abgeleiteten Entwicklungstrends für die medizinisch relevanten Kriebelmückenarten sind ein Beispiel dafür, wie vektorübertragene Infektionskrankheiten durch den globalen Wandel gefördert werden können. Unsere Modellierungsansätze und ergebnisse helfen uns dabei, Monitoring und Maßnahmenprogramme für vektorkompetente Arten effizient zu gestalten und Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen abzuleiten«, fasst Klimpel zusammen.
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Goethe Universität Frankfurt …