Ephemere Designkapriolen aus den 90ern, Digitalisierung und vom Was zum Irgendwas, vom Wie zum Irgendwie und »Cicero«

Gütersloh, 26. April 2023

Es gibt Designkapriolen, die man kaum noch macht. Das mathematische Zeichen »|« (»für die gilt«) macht man eigentlich nicht mehr, weil: unschön. »Fon« statt »Telefon« ist manieriert und außerdem spricht niemand so und hat auch niemand jemals so gesprochen: »Geh mal ans Fon« … »Wie ist Deine Fon Nummer?« … »Das Fon klingelt« … darauf kam offenbar ein Schlauberger in Anlehnung an den Begriff »Fax«, den man allerdings tatsächlich sagt.

Wahre Typographen wissen sowieso: Es gibt nur 2 relevante Schrifarten: #Helvetica und #Times. Feierabend.

Schrifsetzer adieu

Seit der unsinnigen Abschaffung des Berufs des Schriftsetzers geht das Typographie Know how nach und nach verloren (auch weil vieles davon »online« nicht sinnvoll ist). Wer weiß schon noch, was ein Achtelgeviert ist, und wozu man das benutzt? Oder wozu man einen Geviertstrich benutzt? Was Tabellenziffern sind? Was »Schriftart« und »Schriftfamilie« ist? Was die Dickte ist? Was Dicktentabellen sind? Wozu eine Kolumnenschnur gut ist? Warum die Linotype und die Monotype so heißen? Was der Unterschied zwischen Fotosatz, Lichtsatz und Lasersatz ist? Warum die Linotype Setzer jeden Morgen einen Liter Milch bekamen? Was »Ausschließen« bedeutet? Was ein »Ausschluss« ist? Was der Unterschied zwischen Didot Punkt und Pica Point ist und warum (und es gibt weitere Systeme)? Was ein »Cicero« ist? Was »Keil« und »Festausschluss« sind? Welche Regeln für den Tabellensatz gelten? Was »Schraffen« sind? Was Begriffe wie »Grotesk«, »Egyptienne«, »Nonpareille«, »Brotschrift«, »Antiqua«, »Ausgleichen«, »Spationieren«, »kompress« bedeuten? »Type 1« und »Type 3« Fonts, Stemming, »AFM« (Adobe Font Metrics), »ATM« (Adobe Type Manager) … Staromat …

Lithograph adieu

Ähnlich ist es mit der Lithographie, die es praktisch nicht mehr gibt. Wer weiß schon noch, was diese Dinge bedeuten und was das ist? »Dot Centered Rosette«, »Clear Centered Rosette«, »RIP«, »Rasterwinkel«, »Amplitudenmoduliertes Raster«, »Frequenzmoduliertes Raster«, »Weißabgleich, Weißpunkt, Schwarzpunkt«, Runder Punkt und Rautenpunkt, »Under Color Removal«, »Grey Component Replacement«, »Druckzuwachs« (»Dot Gain«), »Punktabnahme«, »Laser Spotblende«, »Capstan Belichter«, »Trommelbelichter«, »Chromacom«, »Cromalin«, »Hexachrome«, »Octachrome«, »HKS« … wer kennt noch die Farabtabellenhandbücher oder diverse Farbfächer (HKS Fächer gab’s immer gratis, Pantonefächer waren unendlich teuer) … Analoge und Digitale Farbrechner … Kimotofolie … Kontaktgerät … Ätzlauge …

Dank der #Digitalisierung ist nicht nur die ganze alte Technik verschwunden (was kein Problem ist), sondern auch die Handwerkskunst und vor allem das ganze Know how (was ein Problem ist).

Vom #Was zum #Irgendwas, vom #Wie zum #Irgendwie

Früher musste man wissen, was man macht und wie man es macht. Dann musste man nur noch wissen, was man macht – das Wie wurde dank der Digitalisierung einfacher. Heute weiß man beides nicht mehr – man weiß gar nicht mehr, was man macht und auch nicht wie das geht. Man daddelt einfach rum. Das Was spielt keine Rolle mehr. Vom Wie weiß nur noch eine Handvoll Experten. Aber was ist, wenn die aussterben? Dann wird aus dem Was das Irgendwas und aus dem Wie das Irgendwie. Das nennt man dann wohl #App.

Alles nach dem Motto »Früher wussten wenige viel über wenig, heute weiß jeder nichts über alles«.

Foto: Christian Schröter AGD, Informationen zu Creative Commons (CC) Lizenzen

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