Anstieg der Gaspreise und Rechte des Verbrauchers, Rechtsanwalt Thorsten Bolte, Gütersloh, 2006
Von Rechtsanwalt Thorsten Bolte, März 2006
Der deutsche und der weltweite #Gasmarkt sind in Bewegung. In Osteuropa geht das Tauziehen um russisches Erdgas weiter, die deutschen Kartellbehörden stellen langfristige Bezugsverträge der Gasimporteure auf den Prüfstand, den Versorgungsunternehmen brandet von Seiten der Verbraucher eine Welle der Entrüstung über immer weitere Preiserhöhungen entgegen. Hintergrund dieser Protestwelle sind die teils drastischen Tariferhöhungen zahlreicher Gasversorger in den vergangenen Monaten, die diese Maßnahmen mit steigenden Einkaufskosten begründen. Die Versorger selbst haben im #Verhältnis zu den Gasproduzenten und Importeuren Preisvereinbarungen getroffen, nach denen der Gaspreis an den Preis anderer Brennstoffe, vor allem des Heizöls, gekoppelt ist.
Wegen die #Preispolitik der Gasversorger regt sich allenthalben Widerstand. Während die Versorgungsunternehmen auf den Preiserhöhungen beharren, rufen Verbraucherverbände dazu auf, den erhöhten Forderungen zu widersprechen und die Rechnungen entsprechend zu kürzen. Die #Verbraucherzentrale #Hamburg unterstützt beispielsweise 52 Gaskunden, die in einem Sammelprozeß vor dem Hamburger Landgericht gegen die Preiserhöhungen vorgehen. Rechtlich hängt die Zulässigkeit der Preiserhöhungen von 2 Fragen ab: Erstens, ob die Gasversorger der sogenannten »Billigkeitskontrolle« nach Paragraph 315 BGB unterliegen. Und zweitens, ob sie der Kontrolle auch standhalten. Diese Fragen sind derzeit bundesweit Gegenstand zahlreicher Verfahren vor den Instanzgerichten. Deren Ausgang ist größtenteils noch offen.
Dass Unternehmen der Daseinsvorsorge wie etwa Elektrizitätswerke und Wasserwerke der Billigkeitskontrolle unterliegen, soweit sie eine faktische Monopolstellung innehaben, hat der BGH bereits entschieden. Aber nicht, daß dies gerade auch bei den Gasversorgern, die sich selbst nicht als #Monopolisten sehen, der Fall ist. Zwar sei der Gasmarkt derzeit noch nicht so offen, wie er es einmal sein werde, es stehe den Kunden aber schon jetzt frei, auf Öl oder andere Energieträger umzusteigen. Die Anwälte der Gasversorger haben dafür ein Wort geprägt: »Substitutionswettbewerb«. Erste Entscheidungen der Instanzgerichte lassen jedoch die Tendenz erkennen, daß der »Substitutionswettbewerb« nichts an der Monopolstellung ändert. Also kommt Paragraph 315 BGB zum Zug – Runde eins geht damit an den #Verbraucher.
Entscheidend wird jedoch Frage 2 sein: Wann entspricht eine Preiserhöhung denn nun genau der Billigkeit? Antwort: Wenn der Gasversorger lediglich seine gestiegenen #Kosten an den Kunden weitergibt. Das darf er nämlich – es sei denn, er hat sich schuldhaft unverhältnismäßig hohen Kosten ausgesetzt, etwa durch die umstrittene Bindung des Gaspreises an den Olpreis. Zwischenfrage: Wie soll der Verbraucher das überprüfen können? Muß er gar nicht, sagen die Gasversorger, denn wir stehen mit unserem guten Namen dafür ein, daß wir lediglich unsere Kosten weitergeben. Und die sind nun einmal gestiegen. Auch dem folgen die Instanzgerichte nicht: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. So hat nach einem Hamburger Amtsgericht jetzt auch das Landgericht Düsseldorf einem Gasversorger die Offenlegung seiner Preiskalkulation auferlegt. Ansonsten sei der Billigkeitsnachweis nicht geführt.
Damit sind die Gasversorger zwar angezählt, die zweite Runde geht aber noch lange nicht an den Verbraucher. Denn die Versorger fangen jetzt an, ihre Kalkulationen publik zu machen. Zumindest im Groben. Oder sie lassen sich von unabhängigen Sachverständigen attestieren, daß ihre Kalkulationen den rechtlichen Vorgaben genügen. Und legen nicht offen. Ob das genügt, werden die Gerichte im Einzelfall entscheiden müssen. Die zweite Runde dauert also an. Der Verbraucher wird nur die Oberhand behalten, wenn die Gerichte den Versorgern ein Maß der Offenlegung vorschreiben, das diese nicht leisten können oder wollen – dann bleiben sie im Prozess beweisfällig und verlieren. Oder wenn die offengelegte Kalkulation zeigt, daß der Versorger eben nicht nur exakt die gestiegenen Einkaufspreise weitergegeben hat. Wie die Versorger rein rechnerisch sicherstellen sollen, daß Bezugspreiserhöhungen exakt im Verhältnis eins zu eins weitergegeben werden, ist eine offene Frage und muß von den Gerichten beantwortet werden. Das gilt auch für die Frage, ob die #Versorger sich auf die Bindung des #Gaspreises an den #Ölpreis berufen dürfen.
Dem Verbraucher stellt sich in der Zwischenzeit eine weitere Frage, denn gerade zu Beginn des Jahres treffen in den meisten Haushalten die Jahresendabrechnungen ein: Wie soll man sich in dieser Situation verhalten? Um gegen eine erhöhte Gasrechnung vorzugehen, kommen grundsätzlich mehrere Strategien in Betracht. Viele Verbraucherschützer raten in der Regel dazu, in einer der folgenden beiden Varianten aktiv zu werden.
Erste Variante: Der Verbraucher kann den Gasversorger unmittelbar selbst verklagen. Ziel: Gerichtliche Feststellung der Unbilligkeit der Preiserhöhung. Denkbar, aber auch aufwendig und riskant: Der Verbraucher muß Gerichtsgebühren vorschießen und beweisen, daß die Erhöhung unbillig ist.
Zweite Variante: Kürzung der Rechnung um den Betrag, der als unbillige Erhöhung empfunden wird. Auch das ist nicht ohne Risiko: Eine Klage des Gaslieferanten und die Androhung der Einstellung der Belieferung sind vorprogrammiert. Übrigens: Beide Varianten erweisen sich als kostenintensiv, wenn sich am Ende herausstellen sollte, daß die Gasversorger sich korrekt verhalten haben und tatsächlich die Weltmarktlage die Erhöhungen erforderlich gemacht hat. Denn dann muß der Verbraucher nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch die Anwaltskosten des Versorgungsunternehmens tragen.
Die Kanzlei Steiner Wecke & Kollegen empfiehlt daher den – übrigens zahlreichen – #Mandanten, die in dieser Angelegenheit um Rat bitten, einen anderen Weg: Der Preiserhöhung ist so schnell wie möglich zu widersprechen und die erhöhten Rechnungen sollten nur noch unter Vorbehalt gezahlt werden. Diese Variante hat den Vorteil, daß sie dem Verbraucher ohne aktuelles Prozessrisiko die Möglichkeit der Rückforderung offenhält. So kann er in aller Ruhe eine gefestigte obergerichtliche Rechtsprechung abwarten. Fällt sie zu seinen Gunsten aus, kann er seine Rückforderung darauf stützen. Segnen die Obergerichte die Preiserhöhungen ab, hat er keinerlei Kosten zu tragen.