Der Zustand der Leidensfähigkeit muss uns Sorgen machen! Wenn eine Gesellschaft an Zuversicht und Gottvertrauen verliert …
Der Sprecher des Philosophischen Laienarbeitskreises, Dennis Riehle (Konstanz), veröffentlicht angesichts Dauerkrisen und Konflikte in der Welt folgende Stellungnahme …
#Krieg, #Klimawandel, #Corona und #Inflation – momentan steht die Menschheit vor erheblichen Herausforderungen. Und gerade die jüngere Generation hat den Eindruck, als würden sich die Probleme stapeln, ihre Zukunft sei in Gefahr. Da bleibt oftmals wenig Hoffnung – und die Angst vor den kommenden Jahrzehnten wird größer. Doch insgesamt drängt sich auch die Vermutung auf, wonach wir immer öfter in Verzweiflung und Perspektivlosigkeit verfallen, weil große Teile unserer Gesellschaft bisher nicht mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert wurden. In einer Wohlstandsgesellschaft fehlt es an Resilienz, denn woran sollten wir uns auch Widerstandskraft aneignen, wenn uns Zufriedenheit und Glück bisher stets zugeflogen sind? Die Leidensfähigkeit in Industrienationen des Westens ist miserabel, Krieg und Konflikte haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr unmittelbar getroffen. Für die meisten von uns sind Bedürftigkeit und Armut ein Fremdwort. Und nicht zuletzt profitieren wir scheinbar immer öfter von neuen Erkenntnissen der Wissenschaft und medizinischem Fortschritt, die Erkrankungen von uns abhalten oder sie auf einfache Weise heilen können.
Woher soll uns also die Übung kommen, mit Krisen und Nöten umzugehen? Und nicht zuletzt: Wo ist unser Zutrauen geblieben, selbst in komplexen Situationen auf unsere Religion zu setzen? In einer sich immer weiter säkularisierenden Umwelt mangelt es auch an Optimismus und Überzeugung, weil wir uns nicht mehr auf höhere Kräfte verlassen. Die Gewissheit über die Hilfe eines lenkenden Gottes ist auf dem Rückzug – genauso, wie das Wissen um Gelassenheit spendende Bibelverse. Man denke an Josua 1,9 (Lutherbibel 1912): »Habe ich dir nicht geboten: Sei getrost und unverzagt? Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst« oder Psalm 23,4 (Lutherbibel 1912): »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich«. Manch einer mag angesichts der Aufforderung zu solch kindlichem Vertrauen von Naivität sprechen. Doch sind es nicht die Berichte von der Wüstenwanderung oder den Plagen, die uns verdeutlichen: Selbst schlimmste Zeiten können Menschen überstehen, wenn sie sich auf die göttliche Gnade und Anwesenheit einlassen.
Denn Christsein ist nicht die alleinige Vertröstung auf das Jenseits. So macht uns beispielsweise auch ein Kirchenlied sehr deutlich: »Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand, die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt« (Evangelisches Gesangbuch 553.1). Das ist ein realer Zuspruch für das Hier und Jetzt. Da geht es nicht darum, was in der Ewigkeit kommen wird. Sondern wir erfahren das Heil in der Gegenwart und ganz aktuell. Unser Manko ist, dass wir die Signale aus dem Himmel nicht erkennen mögen, weil wir uns durch schlechte Nachrichten überlagern lassen: »Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht« – so steht es in der Feststellung aus Hebräer 11,1 (Lutherbibel 1912), wonach wir dem Misstrauen verfallen sind. In allem Elend schenkt uns Gott Wunder und Freudenmomente, welche wir nicht als solche zu deuten wissen. Denn während wir Schlimmes anprangern, übersehen wir das Gute.
Menschen, die trotz aller Gewalt für ihre Werte einstehen und Flüchtende aufnehmen. Oder die uns bei Krankheit ihre Hand halten. Während Traurigkeit die Tränen trocknen. Und bei Resignation Bilder der Veränderung und des Zuspruchs zeichnen.
»Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde.« (1. Mose 9,13, Lutherbibel 1912) – Vielleicht müssen wir öfter nach oben blicken, um Gottes Gerechtigkeit zu erahnen. Die Passionsgeschichte ist das Beispiel, dass wir durch Tiefen hindurchschreiten müssen, um letztendlich Erlösung erfahren zu können. Wer nicht gepeinigt wurde, kann das Gefühl des Emporsteigens kaum nachempfinden: »Ihn möchte ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode gleich gestaltet werden« (Philipper 3,10, Lutherbibel 1912). Unsere beständige Erwartungshaltung, vom Grauen verschont zu bleiben und stattdessen immerwährend auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, spiegelt die Arroganz derer wider, die sich nie Lasten stellen mussten: »Wo Hochmut ist, da ist auch Schande; aber Weisheit ist bei den Demütigen.« (Sprüche 11,2 Lutherbibel 1912) – es sind eben nicht die Prüfungen, die uns im 21. Jahrhundert auferlegt sind, welche uns das Sein so schwer erscheinen lassen. Stattdessen scheint es die Überheblichkeit der Meckernden, deren lautes Geschrei uns den Anschein aufdrängt, es gäbe Grund zum Jammern und zur Kapitulation. Wo bleibt der Mut, den Schatten zu überwinden, um das Licht der Freude wiederzuentdecken?