Gütersloh, Reiten, Galoppieren? Nein danke, sagt Birgit Heigel aus Haßfurt

Angstreiter und der #Galopp

Das #Galoppieren kann für #Angstreiter zur echten Herausforderung werden. Die Angst vor Kontrollverlust, die nahezu immer mit im #Sattel sitzt, macht den Galopp praktisch unmöglich. Ausreden werden gefunden, Vermeidung steht an der Tagesordnung. Nur um nicht galoppieren zu müssen.

Ein Klagelied

Sabine kann ein Lied davon singen. Ein leidvolles. Vor drei Jahren ist sie von ihrem 9 jährigen Oldenburger Warmblut »Timmy« böse gestürzt. Körperlich ist alles wieder gut. Nichts zurückgeblieben. Außer der Angst. »Diesen Kontrollverlust erleben zu müssen, keinerlei Einfluss zu haben und schließlich schmerzhaft auf dem Boden zu landen, diese Erfahrung sitzt tief. Seitdem ist alles anders. Ich habe mich ein Stück weit in den Sattel zurückgekämpft. Die Angst ist trotzdem immer in Lauerstellung und Galopp geht gar nicht mehr.«

Schöne Zeiten

Sabine hat Tränen in den Augen, als sie das erzählt. Neben ihr sitzt Birgit Heigel. Reitercoach und Expertin für Ängste rund ums Pferd. »Das Wichtigste vor allem am Anfang eines Coachingprozesses ist, dass die Menschen erstmal einfach nur erzählen dürfen. Es gibt jemanden, der ›einfach nur‹ zuhört und nicht gleih alles in Gut oder Böse, Richtig oder falsch einordnet. Es darf alles sein. Alles ist im Moment gut so wie es ist. Das schafft die erste Erleichterung.« sagt Birgit Heigel. Denn der Druck unter dem Sabine steht ist immens. Vor allem, weil der Vergleich zu früher, wo alles besser, einfacher und leichter war, immer präsent ist und sie noch zusätzlich belastet.

  • »Früher war alles so einfach!« Heute ist davon nichts mehr übrig geblieben. Schöne Zeiten. Vorbei.

Nichts als Überforderung

Wenn die #Angst so präsent ist, dann ist man schnell überfordert. Das ist ganz normal. Wenn das Herz erst einmal ausgeschüttet ist, dann wird es konkret. Denn eine der größten Überforderungen, mit denen sich ein Angstreiter konfrontiert sieht, sind unklare, verworrene und viel zu große Ziele.

»Ich vergleiche das gerne mit einer Besteigung des Mount Everest. Mit einem unklaren Ziel, das auch noch völlig überfordert, fühlt sich das an, als ob du am Fuße des Berges stehst, ohne Ausrüstung. Völlig untrainiert und im Blick hast du nur das Ziel: Den Gipfel. Ganz ehrlich? Da würde ich auch Schnappatmung und Panik bekommen. Das ist nicht zu schaffen!« Birgit Heigel rollt ein bisschen die Augen. Man kann sich das Leben schon echt schwer machen.

Und so schauen sie gemeinsam zunächst auf Sabines Ziel. Sie würde gerne wieder in der Halle und im Gelände galoppieren. Ohne sich Stunden oder sogar schon Tage vorher fertig zu machen mit ihrem #Kopfkino und den Sorgen darüber, was alles passieren könnte. Ihre Augen bekommen ein bisschen Glanz.

Ganz nett

»Das ist kein Ziel«, lächelt Birgit Heigel, die mit sowas schon gerechnet hat. Das ist viel zu ungenau, zu unklar und zu verworren. Ein schöner Wunsch ist das. Ganz nett vielleicht. Mehr nicht. Sabine bekommt große Augen.

 »Wenn du mit dieser Vorstellung an das Galoppieren gehst, dann brauchst du dich nicht wundern, dass du nicht ins Tun kommst. Du weißt ja gar nicht, wo genau du hinwillst und wie du das angehen sollst. Das ist ein Stochern im Nebel und das überfordert dich wieder. Freie Bahn für die Angst!« 

Zusätzlich erschwert das Vorankommen noch die Bedeutung, die dem Ziel häufig unbewusst zugrunde liegt und die völlig unklar ist. Birgit Heigel fragt diese Bedeutung zunächst bei Sabine ab. »Was genau bedeutet Galoppieren für dich?« Sabine überlegt kurz. Sie möchte in der Halle galoppieren. Auf beiden Händen. In Ruhe. Auch mal zulegen können und gerne auch mal länger am Stück. »Ich würde schon gerne auch mal fünf Minuten am Stück galoppieren. Ich möchte Timmy ja auch trainieren.«

Auf die Frage, wie lange sie schon nicht mehr so galoppiert ist und wie sie sich das momentan körperlich zutraut, schaut Sabine eher unglücklich. Mit diesen Vorstellungen, dem Anspruch, den sie an den Galopp stellt und ihrem momentan untrainierten Zustand ist es kein Wunder, dass sie das nicht angeht. Sie traut sich das einfach nicht zu und würde es vermutlich auch nicht schaffen. Das muss sinnvoll und langsam aufgebaut werden, so Birgit Heigel. Um Sabine aus der Überforderung heraus zu bringen.

Die Besteigung des Mount Everest geht man ja auch planvoll, strukturiert und in Etappen an. Im Idealfall trainiert man sich vorher, besorgt sich gute Ausrüstung und holt sich einen Führer. Dann klappt das auch, ohne dass man sich überfordert fühlt.

Ein klares Ziel

Birgit Heigel legt großen Wert auf eine klare und einfache Zielformulierung. »Die Bedeutung, die dieses Ziel für Sabine hat, muss nicht explizit im Zielsatz erwähnt sein. Deswegen frage ich sie vorher so genau danach, was ihr Ziel vollumfänglich für sie bedeutet. Damit legen wir all das sozusagen unter das Ziel. Sie weiß, was für sie dazugehört und sie muss es nicht immer vollständig aufzählen um das komplett zu bekommen. Das macht es deutlicher einfacher, damit zu arbeiten.« Weil es keine Erklärungen mehr braucht.

Am Ende der intensiven Zielarbeit steht Sabines Zielsatz fest: »Ich galoppiere mit Timmy in der Halle.« Mehr braucht es nicht. Das war aber erst der Anfang. Birgit Heigel geht sofort weiter und leitet Sabine an, ihr frisch formuliertes Ziel erneut zu hinterfragen.

Mach’s Kleiner

Denn die wichtigste Maßnahme auf dem Weg zum »Gipfel« ist: Setze dir Zwischenziele. Macher dein Ziel kleiner, sonst wirst du immer noch nicht ins Tun kommen. Sabines erstes Zwischenziel wird recht schnell klar: »Wenn ich mich mit dem Gedanken an den Galopp so dermaßen ausbremse, dann streiche ich den Galopp erst einmal. Mein erstes Ziel ist nicht galoppieren. Dass ich das nicht schaffe, weiß ich nur zu gut.« 

Sie setzt sich als erste Etappe das »Angaloppieren«. Auf Birgit Heigel Frage, wie es ihr jetzt damit geht, sagt sie, dass sie jetzt schon total erleichtert ist. Das nimmt ganz viel Druck, weil sie plötzlich nicht mehr galoppieren »muss«, sondern gleich wieder durchparieren darf. Das ist mit Timmy sowieso kein Problem. »Er ist ein bisschen ein Energiesparmodel« kichert sie. Der hält sofort wieder an.

Mach’s kleiner! Eine ganz wichtige Maßnahme, um die ersten Schritte aus der Angst heraus wagen zu können. Das  Lächeln bleibt in Sabines Gesicht. Ihr ist die Erleichterung anzusehen.

Mach’s noch kleiner

Birgit Heigl grinst sie plötzlich an und sagt: »Na, dann können wir ja jetzt loslegen: Sattel drauf und angaloppieren.« Sabine entgleiten kurzfristig die Gesichtszüge und die gerade gewonnene Erleichterung ist weg. Die Angst mogelt sich wieder in den Vordergrund.

Das kommt nicht unerwartet für Birgit Heigel. Es ist so wichtig, dass Sabine versteht, wie sie sich das Leben mit zu großen Schritten so richtig schwer macht. Das hat sie jetzt gemerkt. Denn auch wenn sie ihr Ziel mit dem »Angaloppieren« schon sehr reduziert hat, ist es für den Anfang immer noch zu groß. 

Schritt für Schritt

Ein Zwischenziel besteht aus Einzelschritten. Ein wichtiger Baustein in Birgit Heigels Arbeit ist die Erarbeitung dieser Einzelschritte. »Die müssen individuell auf den Einzelnen zugeschnitten sein. Alles andere macht keinen Sinn und erschwert das Vorankommen wieder.« 

Ganz wichtig ist dabei: Am Anfang gibt es keine zu kleinen Schritte. Je kleiner, umso besser, denn dann bekommt Sabine genügend Sicherheit, um auch anfangen zu können.

Sabine darf jetzt überlegen, wie sie das Angaloppieren mit Timmy angehen möchte. Birgit Heigel leitet sie dabei an, verschiedene Möglichkeiten mal mental durchzuspielen. Damit sie herausfindet, welcher Weg für sie am einfachsten umzusetzen ist und ob es auf dem Weg dahin vielleicht noch andere Blockaden in ihr gibt, die ihr das Angaloppieren erschweren.

»Die mentale Vorbereitung ist in meiner Arbeit ein absoluter Schwerpunkt« sagt Birgit Heigel. »Dadurch erfährt Sabine schon ganz viel darüber, was ihr leichter fällt und was sie eher belastet. Wo stecken Emotionen, die wir lieber nicht wieder aktivieren wollen und sind die gewählten Schritte wirklich passend und klein genug.« Das geht alles ohne Pferd und dadurch kann sich Sabine voll auf sich konzentrieren. Sie sitzt momentan noch nicht im Sattel und dadurch fühlt sie sich sicher.

Ein Hoch auf die Sicherheit

Birgit Heigel zieht anfangs den Rahmen, in dem Sabine und Timmy sich bewegen, sehr eng. Das ist nicht der Moment für Kreativität und Experimente. Hier geht es um Sicherheit und um Sabines Selbstvertrauen, das aktiviert werden soll. Nur dann kann sie das Erarbeitete auch umsetzten und Erfolge »einfahren«. »Mit jedem Erfolg, den Sabine durch ihr eigenes Tun erlebt, wächst ihre Motivation, weiterzumachen und dranzubleiben. Diese Motivation wenn wir wecken, dann kommt sie in Fluss.«

»Das ist dann der Moment, wo ich meine Menschen gerne mal ausbremsen muss. Weil sie so begeistert sind, dass das wirklich klappt, ihnen plötzlich wieder Dinge am oder auf dem Pferd gelingen und immer leichter fallen, dass es ihnen zu langsam geht.« lacht Birgit Heigel. Schnelligkeit und Angst sind aber keine gute Kombination und das Neue muss sich natürlich erst setzen. 

Planvoll währt am Längsten

Also darf sich Sabine jetzt einen Plan zurecht legen, wie sie loslegen wird. Putzen, satteln und in die Halle gehen sind kein Problem für sie. »Es ist so wichtig, auch auf all das zu schauen. Ich habe es schon erlebt, dass bei einer Kundin nicht das Reiten an sich das Hauptproblem war, sondern dass sie mit dem Satteln ihres Pferdes ein Riesenthema hatte. Das war ihr natürlich nicht bewusst. Wir haben das gelöst und der Weg rauf aufs Pferd war frei.«

Sabine merkt, dass sich in ihrem Bauch ein mulmiges Gefühl ausbreitet, sobald sie daran denkt, loszureiten. Das Aufsteigen ist noch ok. Aber in Bewegung kommen macht ihr das erste Unwohlsein. Damit steht der erste Schritt ihrer Strategie fest: Anreiten üben. 

Sabine soll nach dem Aufsteigen zunächst einfach nur im Sattel Platz nehmen und tief einsitzen. »Komm im Sattel an, atme durch, nimm Verbindung zum Pferd auf und komme zur Ruhe.« lauten Birgit Heigels Anweisungen. Wenn das gut klappt, sie ihre Ruhe im Sattel wirklich spürt, dann soll sie ans Anreiten denken und Timmy einen Schritt antreten lassen. Durchparieren. Stehen. Ruhe spüren. Wenn sie das souverän schafft, dann geht es Stück für Stück weiter. 

So arbeiten die beiden eine ganz konkrete Strategie und Herangehensweise aus, wie Sabine zunächst die Hürde »Anreiten« meistert, damit sie dann das Angaloppieren auf genau dieselbe Art und Weise angehen und umsetzen wird.

Das große Ziel in Visier

»Wenn Sabine das Prinzip erst einmal verstanden hat, dann kann sie sich damit fast alles erarbeiten. Wenn das Angaloppieren normal für sie geworden ist, dann wird es weitergehen. Dann kommt natürlich der Galopp als Programmpunkt auf den Plan.«, sagt Birgit Heigel. Aber auch hier wird Sabine nicht gleich rundenweise und minutenlang vor sich hingaloppieren. Auch das wird sie sich von Grund auf erarbeiten. Sich eine stabile und sichere Basis damit schaffen, auf der sie aufbauen kann. Und zum Schluss wird sie galoppieren. In der Halle, im Gelände, minutenlang, gesetzt oder auch mal ein Wettrennen. Wenn sie das möchte.

Sabine sitzt inzwischen auf Timmy und kommt einfach nur im Sattel, bei sich und beim Pferd an. Ihr Gesicht ist entspannt, jeglicher Druck ist einer wohltuenden Entspannung gewichen. Und Timmy? Der beim Aufsteigen immer gerne den Kopf hochgerissen hat? Der steht da mit tiefem Hals, die Ohren auf Halbmast. Die Ruhe des Menschen ist auch die Ruhe des Pferdes. Er wirkt sehr erleichtert und dankbar.

Reitercoaching Birgit Heigel

Reitercoaching ist ein von Birgit Heigel entwickeltes Konzept, das auf Begleitung und Unterstützung beruht. Es ist ein völlig anderer Weg, auf die Beziehung zwischen Mensch und Pferd zu schauen. Es ist der Weg zu Vertrauen und Harmonie zwischen beiden. Coaching heißt für Birgit Heigel, Menschen dabei zu begleiten und zu unterstützen, wieder mit Selbstvertrauen und Freude das Zusammensein mit ihren Pferden genießen zu können und ihre Ängste wieder in den Griff zu bekommen.

Da, wo die »üblichen« Herangehensweisen und Methoden, die ja oft nur am Pferd ansetzen und damit begrenzt sind, aufhören, da fängt das Coaching an. Der Fokus liegt hier auf dem Menschen. Denn der ist nicht selten Auslöser von den Themen und Problemen, die die Beziehung dann letztlich so oft belasten und die Freude am Reiten nehmen.

Mit ihrem Coaching trägt sie konsequent der Tatsache Rechnung, dass die Pferde ihren Menschen spiegeln. Setzt man bei Angstproblemen nur am Pferd an, dann ist das, im übertragenen Sinne, der Versuch, am Spiegel selbst etwas zu ändern. Das wird letztlich nicht helfen, denn der wirft ja nur das Bild zurück. 

Reitercoaching setzt am »Original« an. An dem, was in den Spiegel hineinblickt. Am Menschen. Und damit wird Veränderung möglich. Und zwar nachhaltig und stabil. Die Pferde? Gehen sofort mit. Und spiegeln auch das. Sie können gar nicht anders.