Ein Jahr Taliban in Afghanistan, Hunger, Armut und seelische Not, neuer Bericht von Save the Children zeigt die schwierige Lage der Kinder

Berlin, Kabul, 10. August 2022

Ein Jahr nach der Machtübernahme durch die #Taliban geht es #Kindern – vor allem #Mädchen – in #Afghanistan schlecht, zeigt ein neuer Bericht von Save the Children. Immer mehr Kinder haben Hunger und leiden unter seelischer Not, viele können nicht zur Schule gehen.

Nachdem die Taliban das Land am 15. August 2021 wieder unter ihre Kontrolle gebracht hatten, wurden internationale Hilfen in Milliardenhöhe zurückgezogen und Devisenreserven eingefroren; das Bankensystem brach zusammen. Zur Wirtschaftskrise kam die schlimmste Dürre seit 30 Jahren. Die weitreichenden Folgen dieser Entwicklung dokumentiert der kommende Bericht »Breaking point: Children’s lives one year under Taliban rule«. In die Untersuchung, die im Mai und Juni 2022 stattfand, flossen Daten und Berichte von Kindern und Betreuungspersonen aus rund 1.450 Haushalten ein.

Rund 97 Prozent der Familien gaben an, ihre Kinder nicht ausreichend ernähren zu können, und dass Mädchen weniger Essen zu sich nehmen als Jungen. Fast 80 Prozent der befragten #Kinder berichteten, dass sie im Vormonat hungrig zu Bett gegangen seien. 9 von 10 Mädchen machen sich Sorgen, weil sie kaum noch Energie zum #Lernen, #Spielen oder für ihre täglichen Aufgaben haben.

»Was in Afghanistan passiert, ist nicht nur eine humanitäre Krise, es ist eine Kinderrechtskatastrophe«, mahnt Chris Nyamandi, Länderdirektor von #Save the #Children in Afghanistan. »Im vergangenen Jahr ist das Leben für Kinder wirklich hart geworden, und Mädchen sind die Hauptleidtragenden. Die Lösung kann nicht allein in Afghanistan liegen – sie liegt auch in den Händen der Staatengemeinschaft. Wenn diese nicht sofort humanitäre Mittel bereitstellt und einen Weg findet, die #Wirtschaft zu stützen und das Bankensystem zu beleben, werden noch mehr Mädchen und Jungen ihrer Kindheit beraubt.«

Die Studie zeigt auch, dass mehr als 45 Prozent der befragten Mädchen nicht zur Schule gehen; bei den Jungen sind es 20 Prozent. Gründe sind vor allem wirtschaftliche Not und das durch die Taliban verhängte Sekundarschulverbot. Um das Überleben von Familien zu sichern, kommt es außerdem immer häufiger zu Frühverheiratungen, belegen die Umfrageergebnisse.

26 Prozent der Mädchen und 16 Prozent der Jungen zeigen Anzeichen von Depressionen, 27 beziehungsweise 18 Prozent von Angstzuständen. Sie sorgen sich, schlafen schlecht oder haben Albträume. Vieles, was sie früher glücklich gemacht habe, sei nicht mehr möglich, etwa in Parks oder Geschäfte zu gehen, berichten vor allem Mädchen.

Die 15 jährige Parishad* lebt im Norden Afghanistans und kann nicht zur Schule gehen, weil das Geld für Bücher und Hefte fehlt. Als die Familie auch ihre Miete nicht mehr zahlen konnte, bot der Vermieter an, eines der Kinder zu kaufen. Die Eltern lehnten ab – und verloren die Wohnung. »An manchen Tagen kann mein Vater kein Essen mitbringen, meine Brüder wachen nachts hungrig auf«, erzählt Parishad. »Ich esse kaum, sondern hebe alles für meine Geschwister auf. Wenn ich sehe, dass andere Mädchen zur Schule gehen, wünschte ich, ich könnte das auch. Ich kann das alles nicht mehr ertragen. Und ich kann nichts dagegen tun.« Save the Children stellt der Familie nun Bargeldhilfe zur Verfügung, die sie nach ihren Bedürfnissen verwenden kann.

Die Organisation unterstützt seit 1976 Gemeinden in ganz Afghanistan und schützt die Rechte von Kindern auch in Zeiten von Konflikten, Regimewechseln und Naturkatastrophen. Die Kinderrechtsorganisation leitet Programme in neun Provinzen und arbeitet mit Partnern in sechs weiteren Provinzen zusammen. Im August 2021 weitete Save the Children die Hilfe noch einmal aus. Die Organisation leistet Unterstützung in den Bereichen #Gesundheit, #Bildung, #Kinderschutz, #Wasser, #Sanitär und #Hygiene sowie Ernährungssicherheit und Existenzsicherung. Seit September 2021 hat Save the Children mehr als 2,5 Millionen Menschen erreicht, darunter 1,4 Millionen Kinder.

Save the Children Deutschland unterstützt seit 2008 Kinder und ihre Familien in Afghanistan. Derzeit setzt die Organisation fünf Projekte um, finanziert mit rund 9,5 Millionen Euro vom Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Europäischen Kommission, der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit sowie durch private Spenden. Damit wird die Umsetzung der Kinderrechte in den Bereichen Kinderschutz, Bildung, Gesundheit und Ernährung unterstützt.

* Name zum Schutz geändert

  • Bericht »Breaking point: Children’s lives one year under Taliban rule« hierExternal Link

  • Die Geschichten von Parishad und zahlreichen weiteren Kindern hierExternal Link

Über Save the Children

Im Nachkriegsjahr 1919 gründete die britische Sozialreformerin und Kinderrechtlerin Eglantyne Jebb Save the Children, um Kinder in Deutschland und Österreich vor dem Hungertod zu retten. Heute ist die inzwischen größte unabhängige Kinderrechtsorganisation der Welt in rund 120 Ländern tätig. Save the Children setzt sich ein für Kinder in Kriegen, Konflikten und Katastrophen. Für eine Welt, die die Rechte der Kinder achtet, in der alle Kinder gesund und sicher leben sowie frei und selbstbestimmt aufwachsen und lernen können – seit mehr als 100 Jahren.