Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Kündigungen eines Kapitäns und eines Co Piloten wegen Flottenreduzierung rechtsunwirksam

Der Kläger des Verfahrens 13 Sa 998/21 war seit dem 4. September 2000 bei der Beklagten, einer #Fluggesellschaft, als Kapitän beschäftigt. Der Kläger des Verfahrens 13 Sa 1003/21 war seit dem 3. September 2018 als Co #Pilot tätig. Bei der Beklagten waren aufgrund tariflicher Regelungen Personalvertretungen für das Cockpit (PV Cockpit) und für die Kabine (PV Kabine) gebildet. Es existierte weiterhin eine Gesamtvertretung Bordpersonal (GV Bord).

Am 5. März 2021 schlossen die Beklagte und die GV Bord einen Interessenausgleich. Zu der geplanten Betriebsänderung hieß es dort, dass die Beklagte ihre Flotte auf 22 Flugzeuge reduzieren und sechs ihrer derzeit unterhaltenden Stationen vollständig und dauerhaft schließen werde. Weiter hieß es, dadurch sei im Bereich des Cockpit und Kabinenpersonals die Beschäftigtenzahl anzupassen. Dabei dürfte die tariflich vereinbarte Zahl von 370 Cockpitmitarbeitern nicht unterschritten werden. Der tatsächliche Bedarf an Cockpitpersonal liege – so der Vortrag der Beklagten – aufgrund der Betriebsänderung sogar nur noch bei 340. Mit Schreiben vom 11. März 2021 leitete die Beklagte gegenüber der GV Bord das Konsultationsverfahren gemäß Paragraph 17 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz ein. Sie übersandte dabei den Text eines Sozialplans, der eine Auswahlrichtlinie beinhaltete. Diese sah unter anderem ein Punkteschema für die Gewichtung der Kriterien der sozialen Auswahl (Betriebszugehörigkeit, Lebens-alter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung) vor. Zugleich war vorgesehen, dass Mitarbeitenden mit Sonderkündigungsschutz (z.B. aufgrund von Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit) nach Einholung der behördlichen Zustimmung gekündigt werde. Am 19. März 2021 fand ein abschließender Beratungstermin mit der GV Bord statt. Mit Schreiben vom 27. März 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Kapitäns außerordentlich betriebsbedingt zum 31. Dezember 2021 und das Arbeitsverhältnis des Co-Piloten ordentlich betriebsbedingt zum 31. Dezember 2021.

Mit ihren Kündigungsschutzklagen wenden sich der Kapitän und der Co-Pilot gegen die betriebsbedingten Kündigungen. Das noch vorhandene Cockpitpersonal sei nicht in der Lage, ohne überobligatorische Arbeit das verbliebene Flugaufkommen zu bedienen. Alle Mitarbeitenden müssten Mehrflugstunden leisten. Die Kläger rügen außerdem unter anderem die ordnungsgemäße Anhörung der PV Cockpit sowie die ordnungsgemäße Durchführung des Konsultationsverfahrens. Die Beklagte erachtet die Kündigungen für wirksam. Der Beschäftigungsbedarf für die Kläger sei entfallen. Die Beteiligung der Gremien sei ordnungsgemäß erfolgt.

Ebenso wie das Arbeitsgericht hat heute die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf den beiden Kündigungsschutzklagen stattgegeben. Beide Kündigungen sind jedenfalls aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Konsultation der GV Bord rechtsunwirksam. Abweichend von dem der GV Bord in den Beratungen mitgeteilten Informationsstand hatte die Beklagte den rund 80 Beschäftigten des Cockpitpersonals mit Sonderkündigungsschutz unabhängig von dem Punkteschema weder gekündigt noch hierzu eine behördliche Zustimmung eingeholt. Gemäß Paragraph 17, Absatz 2, Kündigungsschutzgesetz musste die Beklagte der GV Bord die zweckdienlichen Auskünfte erteilen und sie dabei über die Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unterrichten. Dies ist hier fehlerhaft erfolgt, weil sich nach dem Abschluss der Beratungen durch den Verzicht auf den Ausspruch von Kündigungen gegen-über ca. 80 Personen des Cockpitpersonals eine wesentliche Änderung in den zu-vor mitgeteilten Kriterien der Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer ergeben hatte. Hierüber hätte die Beklagte die GV Bord vor Ausspruch der Kündigungen ergänzend unterrichten müssen. Dieser Fehler im Konsultationsverfahren führte zur Unwirksamkeit der Kündigungen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2022 – 13 Sa 998/21

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2021 – 5 Ca 1874/21

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2022 – 13 Sa 1003/21

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 1. Oktober 2021 – 7 Ca 1882/21

Bei dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf sind derzeit noch weitere zehn weitgehend parallel gelagerte Verfahren anhängig.

Kündigungsschutzgesetz

Paragraph 17 Anzeigepflicht

(2) Beabsichtigt der Arbeitgeber, nach Absatz 1 anzeigepflichtige Entlassungen vorzunehmen, hat er dem Betriebsrat rechtzeitig die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und ihn schriftlich insbesondere zu unterrichten über

5. die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,

Arbeitgeber und Betriebsrat haben insbesondere die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern.«