Interview mit Einstein, anlässlich des Einstein Jahres 2005 hat Gütsel den weltbekannten Physiker im März 2005 interviewt
Stets freundlich und immer ein wenig zerstreut, Albert Einstein entsprach ganz dem üblichen Bild eines Professors. Er spielte begeistert Geige und liebte lange und intensive Diskussionen mit anderen Wissenschaftlern.
Albert, ist es in Ordnung, wenn wir Dich dutzen?
Das ist mir relativ egal. Ich freue mich auf jeden Fall, daß man mich auch in Gütersloh kennt und schätzt.
Deine Theorien stehen ja größtenteils in großem Konflikt mit dem gesunden Menschenverstand …
Das kennt Ihr ja in Gütersloh …
… und die allgemeine Relativitätstheorie als Dein wichtigstes Postulat ist nur schwer nachzuvollziehen.
Eigentlich nicht. Das ist ja ein ganz simples Gedankenexperiment. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen ausführen, aber der einzig variable Faktor in diesem Experiment war die Zeit – die Länge eines Gegenstands und die Lichtgeschwindigkeit waren konstante Faktoren. So bin ich darauf gekommen.
Gilt das denn auch für Gütersloh? Ist auch in Gütsel die Zeit relativ und die Lichtgeschwindigkeit konstant?
Naja … ich war mir auch erst nicht sicher. Zunächst dachte ich, die Zeit sei in Gütsel stehengeblieben und die Lichtgeschwindigkeit auf Tempo 30 begrenzt worden. Aber letztlich gilt das schon auch für Gütersloh.
Deinen Nobelpreis hast Du ja für die Mitentwicklung der Quantenmechanik bekommen. Was genau versteht man darunter?
Auf jeden Fall nicht das, was Ihr denkt! Es geht nicht um Füße. Vielmehr geht es wiederum um ein Gedankenexperiment, das zu der Erkenntnis führte, daß Energie nur gequantelt abgegeben und aufgenommen werden kann – ansonsten hätte die abgestrahlte Energiemenge des heißen Körpers in diesem Experiment unendlich sein müssen. Das kann ja nicht sein, weil dann seine Masse auch hätte unendlich sein müssen.
Gilt das denn beispielsweise auch für Kultur?
Na … wenn bei Euch in Gütersloh die Kultur nicht arg gequantelt ist, verstehe ich die Welt nicht mehr. Und das darf man wohl getrost ausschließen.
Vielen Dank für die Blumen. Du hast Dich ja zeitlebens gegen die Unbestimmheit im Rahmen der Quantenphysik gewehrt und gesagt »Gott würfelt nicht«. Nun hat Stephen William Hawking gesagt »Gott würfelt nicht nur, er zeigt uns manchmal nicht einmal, wo und was er würfelt«. Was sagst Du dazu?
Diese jungen Leute … ich habe das Gefühl, heutzutage wird oft die Nähe zur Realität und Einfachheit der Natur vergessen. Wasser fließt bergab, und zwar auf dem einfachsten Weg. Da kann man noch so wilde Theorien ausarbeiten …
Gutes Stichwort. Ist nicht die moderne Physik auf demselben Weg, wie die moderne Philosophie? Ken Wilber denkt ja weit über die Postmoderne hinaus und ist schließlich bei einer »Spiritualisierung« der Postmoderne angelangt. Er sieht das als transzendente Mystik. Am Ende steht das »Eine«, das einfach ist. Wie ist das aus Deiner Sicht?
Hm. Zu meiner Zeit befanden wir uns ja gerade im Ãœbergang vom Rationalismus zum Dekonstruktivismus der Postmoderne. Das »Eine« ist das, was ich mit »Gott« meinte … und daß das nicht würfelt, ist wohl klar.
Im Prinzip schon. Allerdings könnte man sagen, daß es nicht würfelt, daß wir es phänomenologisch erkennen können, dennoch aber zur Zeit sein jeweils weiteres Vorgehen nicht vorhersagen können.
Jaja. Da könnte ich zustimmen. Aber die Frage bleibt: Wo kommt das »Eine« her? Was war vorher?
Hawking sagt, diese Frage sei sinnlos. Vorher habe es keinen Raum und keine Zeit gegeben.
Ach? Und warum hat es ausgerechnet dann begonnen, wann es begonnen hat?
Das weiß er auch nicht.
Soso. Das beruhigt mich, daß die letzte große Frage noch immer nicht geklärt ist. Habt Ihr denn wenigstens inzwischen die Fragen der Gravitation und der Trägheit geklärt? Was sagt denn dieser Hawking dazu?
Tja … leider lautet die Antwort »Nein«. Es gibt verschiedene Theorien, von Deiner RaumZeit-Krümmung bis zu Gravitonstrahlungen. Alles widerspricht sich leider mehr oder weniger hinsichtlich bestimmter Aspekte. Hawking tendiert zur Raum-Zeit-Krümmung – seiner Meinung nach krümmt sich das Universum letztlich sogar in sich selbst zurück und verschwindet dann.
Na denn. Womöglich gibt es keine Antwort auf die Frage aller Fragen. Aber tut mir einen Gefallen: Seid offen für Neues, Altes und vermeidet Dogmen, Dualismen, Borniertheit, Verschlossenheit und was sonst noch an schlechten Eigenschaften denkbar ist. Besonders liegt mir dabei natürlich das schöne Gütersloh am Herzen.
Sagst Du das nur so, oder meinst Du das ehrlich?
Ich liebe Gütersloh. Schließlich ist es die schönste Stadt der Welt – zumindest habe ich das im Radio gehört. Vox Rindvieh hieß der Sender, glaube ich. Origineller Name.
Das ist in Wirklichkeit eine Comedy Bürgerfunkgruppe.
Soll das heißen, daß das nur ironisch gemeint war?
Nun ja … die Schönheit liegt ja nach Volkes Mund im Auge des Betrachters.
Dann bin ich ja beruhigt. Darauf können wir uns einigen. Ich werde Euch beizeiten in Gütersloh besuchen.
Wann wird das sein?
Derzeit bin ich bekanntermaßen tot. Aber wenn die Zeit wirklich relativ ist, könnte es schon gestern sein. Ihr versteht?
Du beliebst zu scherzen!
Natürlich.
Vielen Dank für das Gespräch.
Gern.
Zeit ist relativ
»Was würde geschehen, wenn ich hinter einem Lichtstrahl hereilen und ihn schließlich einholen würde?« Diese Frage stellte Albert Einstein als 17jähriger. Einige Jahre später hatte er diesen Gedankengang vollendet und damit die alten Vorstellungen von der Beschaffenheit von Raum und Zeit – über 200 Jahre bestehendes Gedankengut – hinfällig gemacht. Zeit ist relativ, formbar wie Kaugummi – massereiche Objekte wie die Erde dehnen die Zeit. Der Geistesblitz, der Einstein zur speziellen Relativitätstheorie führen sollte, kam ihm auf einer Zugfahrt von Ulm nach Stuttgart: In Systemen, die sich relativ zueinander bewegen, verläuft die Zeit unterschiedlich. Je schneller die Bewegung, desto langsamer vergeht die Zeit. In einem fahrenden Zug macht sich das aufgrund der geringen Geschwindigkeit zwar nicht bemerkbar. Doch konnte der Effekt gemessen werden, als präzise Atomuhren und schnelle Flugzeuge zur Verfügung standen. 1975 schickten Forscher eine Atomuhr auf eine Flugreise. Die Zeit der bewegten Uhr wurde mit einer baugleichen am Boden verglichen. Und tatsächlich ging die Uhr im Flugzeug meßbar langsamer als die Vergleichsuhr auf der Erde.
Die Relativität der Zeit kann auch in Gütersloh konkret gemessen werden – so vergeht sie für viele Busfahrer deutlich langsamer. Nach außen hin sieht das so aus, als rasten sie viel zu schnell durch verkehrsberuhigte Zonen – in Wirklichkeit nur ein Effekt der Relativitätstheorie: Die Busfahrer selbst haben in ihrem Bus das Gefühl, im vorgeschriebenen Schrittempo zu fahren. Wissenschaft zum Anfassen.
Vita
1879
Am 14. März wird Albert Einstein in Ulm (Donau) geboren. Seine Kindheit verbringt er in München, dort kommt auch seine Schwester Maria zur Welt. Anders als immer behauptet, ist er kein schlechter Schüler. Seine Noten sind durchschnittlich, in Mathematik und Physik sogar ausgesprochen gut. Allerdings sind ihm der militärische Drill und das sture Auswendiglernen an wilhelminischen Gymnasien zuwider. Er verläßt mit 15 Jahren die deutsche Schule und folgt seinen Eltern nach Italien. Damit er am Polytechnikum Zürich angenommen wird, macht Einstein 1896 an einer Schweizer Kantonschule den Mittelschulabschluss.
Als Student für Mathematik und Physik an der Eidgenössischen Polytechnischen Hochschule (ETH) in Zürich bekommt er hervorragende Noten. Kurz nach seinem Abschlußexamen 1900 schickt er seinen ersten wissenschaftlichen Artikel an die »Annalen der Physik«, eine der renommiertesten Zeitschriften auf diesem Gebiet. 1901 erhält Einstein das Schweizer Bürgerrecht, das er bis zu seinem Tod behält. Nach einer schlechtbezahlten Anstellung als Privatdozent arbeitet er die nächsten sieben Jahre als Beamter am Eidgenössischen Patentamt in Bern. In dieser Zeit entwickelt er bis spät in die Nacht Theorien über Atome, Elektronen, Raum und Zeit.
1905 wird zu Albert Einsteins »Wunderjahr«. Er verfaßt seine Dissertation und veröffentlicht mehrere bedeutende Arbeiten, darunter die Abhandlung über die Spezielle Relativitätstheorie. Im Februar 1908 habilitiert er an der Universität Bern. Zwischen 1909 und 1914 ist er Professor an der Universität Zürich, wechselt für ein halbes Jahr an die Universität Prag und kehrt danach an die ETH Zürich zurück. Während dieser Zeit entwirft er die Allgemeine Relativitätstheorie.
Im Jahr 1914 erhält Einstein den Ruf der angesehenen Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin. Im Jahr 1916 vollendet er die Allgemeine Relativitätstheorie. Lange Zeit kann sie nicht bewiesen werden. Erst eine Sonnenfinsternis 1919 bestätigt die Theorie: Die gewaltige Masse der Sonne lenkt wirklich das Licht der Sterne ab. Einstein gibt mit seinen Forschungsergebnissen den Startschuß für eine neue Epoche der Physik und wird selbst zunehmend zu einer Berühmtheit. Im November 1921 wird ihm der Physik-Nobelpreis für die Entdeckung des photoelektrischen Effekts verliehen.
Der Pazifist und Jude Einstein wird offen von den Nazis angefeindet. 1933 kehrt er Deutschland den Rücken und emigriert in die USA, Professur am Institute for Advanced Studies in Princeton.
Der Kriegsgegner warnt 1939 US Präsident Roosevelt vor der Gefahr einer deutschen Atombombe. Er regt an, die USA sollen eine eigene Atombombe entwickeln. An der Entwicklung der Atombombe beteiligt er sich jedoch nicht.
Im Jahr 1941 wird Einstein amerikanischer Staatsbürger. 1953 formuliert er die endgültige Fassung der Verallgemeinerung der Relativitätstheorie.
Einstein stirbt am 18. April 1955 im Alter von 76 Jahren in Princeton. Seinen gesamten schriftlichen Nachlaß vererbt er der Hebrew University in Jerusalem, der sich heute im dortigen Albert Einstein Archiv befindet.