»Offen mit den eigenen Sorgen umgehen«, Krieg in der Ukraine, wie man Kindern die Situation erklärt, Interview mit LWL Kinder und Jugendpsychiater Dr. Rüdiger Haas
Marl-Sinsen (lwl)
Russlands Krieg in der Ukraine schockiert viele Menschen. Auch Kinder bekommen zum Beispiel übers Fernsehen oder im Internet mit, was dort gerade passiert. Wie sollten Eltern damit umgehen? Der Ärztliche Direktor der Fachklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (#LWL) in Marl-Sinsen, Dr. Rüdiger Haas, gibt praktische Tipps.
Herr Dr. Haas, wie kann man als Eltern mit der aktuellen Situation und der Belastung umgehen?
Dr. Claus-Rüdiger Haas: Belastungen und Ängste werden von Kindern sehr schnell erkannt. Von daher ist es wichtig, offen mit den eigenen Sorgen umzugehen. Transparenz bedeutet aber nicht, Kinder und Jugendliche mit Details zu konfrontieren. Vielmehr kann man deutlich machen: Es gibt im Leben schwierige und belastende Situationen und gemeinsam werden wir diese Belastungen meistern.
Auf welche Symptome sollte ich bei den Kindern achten, wenn sie das Thema nicht selbst aktiv ansprechen?
Wenn Kinder sich Sorgen machen, reagieren sie häufig mit Rückzug und einer allgemeinen Verunsicherung. Manche Kinder versuchen aufkommende Spannungen abzureagieren. Sie werden dann gereizt und können auch impulsiv sein. Dann ist es wichtig, den Kindern Zeit zu widmen und ihnen die Gelegenheit zu geben, von sich aus die inneren Sorgen anzusprechen
Ist es sinnvoll, die Kinder jetzt mit Freizeitangeboten abzulenken?
Es wäre nicht klug, den Alltagsrhythmus großartig zu verändern. Ablenkung wird die Kinder eher skeptisch werden lassen. Die Abläufe mit Kindergarten und Schule sollten unbedingt beibehalten werden.
Die Nachrichten in den Medien sind beunruhigend. Sollte ich deshalb ein Handy oder Fernsehverbot aussprechen?
Verbote führen meist in die falsche Richtung. Verbote verunsichern die Kinder, machen sie neugierig. Außerdem sind Verbote im Alltag kaum umzusetzen. Deswegen kann es wichtig sein, Informationen und Nachrichten den Kindern kindgerecht mitzuteilen. Es gibt zum Beispiel die Kinder-Nachrichten "logo", die das gut umsetzen.
Welche Zeichen könnten darauf hindeuten, dass ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden sollte?
Wenn die Kinder sich zunehmend zurückziehen und Ängste äußern. Häufig zeigen sich die Symptome frühzeitig bei Störungen des Schlafablaufs. Kinder haben Angst davor, ins Bett zu gehen, können schlecht einschlafen, wachen nachts auf, haben Ängste. Es kann auch passieren, dass die Kinder nicht mehr das Haus verlassen wollen, nicht mehr den Kindergarten oder zur Schule gehen wollen. Sie suchen die Nähe der Eltern, haben Angst um sich und auch um die Eltern. Wenn sich dies nicht auflösen lässt, wäre eine professionelle Hilfe erforderlich.