Gütersloh: Lernen, nicht Kopieren – »Guten Morgen, Herr Bezos!«, »Guten Morgen, Kinder!«
Der Einzelhandel sieht sich vor allem von Amazon bedroht, so geht jedenfalls die Rede. Nicht dieses oder jenes, nicht die Umstände, die man teils selbst herbeigeführt hat, nicht das eigene Verhalten, nein, Amazon ist schuld.
Die IHK hat nun (oder tut es noch?) die Leute mit einer Kampagne, die weitestgehend (»weitestgehend« im Sinne von »völlig«) verpufft ist, belehrt, warum sie gefälligst vor Ort zu kaufen haben. Läuft da nun eigentlich noch etwas? Die Website gibt nichts her … man sieht ein Foto von zwei jungen, fröhlich wirkenden Frauen, die offenbar gerade geshoppt haben und man bekommt Blabla präsentiert …
Sie (die IHK) hat sechs »gute Gründe« gefunden, warum man gefälligst vor Ort zu kaufen hat.
- »Heimat shoppen« bedeutet einkaufen bei Nachbarn und Freunden
- »Heimat shoppen« unterstützt Veranstaltungen, Vereine und Initiativen
- »Heimat shoppen« sichert Arbeit und Ausbildung
- »Heimat shoppen« macht Ihre Gemeinde lebenswert
- »Heimat shoppen« reduziert die Umweltbelastung
- »Heimat shoppen« stärkt Ihre Gemeinde
Man setzt also beispielsweise auf »Quid pro quo«. Praktiziert es freilich selbst nicht. Bis auf einige ehrenvolle Ausnahmen. Die tun es aber einfach und reden nicht groß darüber. Denn eigentlich sollte das selbstverständlich sein und den Modus vivendi bestimmen. Dinge wie »pro bono« oder »pro res« gelten sowieso prinzipiell als dumm, naiv und verdächtig. Denn man unterstellt dann denjenigen im Sinne von Byron Katies Philosophie eine Motivlage, die der eigenen entspricht. Und zur Anpassung und Fortentwicklung ist man offensichtlich wenig bereit oder nicht willens und nicht in der Lage.
Marketing
So funktioniert Marketing nicht, Sportsfreunde. So funktionieren Geldverbrennung und Arbeitsbeschäftigung. Man kann mit Argumenten arbeiten, aber man sollte sich davor hüten, Leute mit Unsinn zu belehren. Man kann ihnen Tatsachen mitteilen, man kann ihnen mit substantiierten Argumenten kommen, aber das tut die IHK nicht.
Die Schuldigen
Nun also ist aber eigentlich Amazon schuld. Und man versucht, Bezos zu zeigen, wo der Hammer hängt. Man versucht, Amazon nachzumachen und produziert Millionengräber am laufenden Band (sogenannte »lokale Onlinemarktplätze«).
Guten Morgen, Kinder!
Was man hingegen tun muss (müsste): Man muss von Amazon lernen. Von Amazon zu lernen, heißt aber eben nicht, Amazon nachzumachen. Amazon hat auch seine Macken, die AWS-APIs sind buggy, aber Amazon funktioniert. In dem Sinne, dass dort verkauft wird und dass dort Geld wie blöde verdient wird (vor allem von Amazon selbst). Amazon ist nicht »ein Onlineshop«, Amazon »ist das Onlineshopping«. Manche sehen sogar Alibaba im Kommen. Ein kurzer Blick zeigt: Amazon funktioniert, ein regionaler Anbieter funktioniert nicht so richtig. Eher mehr schlecht als recht. Darauf hat man dann keinen Bock. Man kann darüber nachdenken, als lokaler Einzelhändler online aufzutreten. Aber nicht so. Oft ergeht man sich dann auch in Firlefanz, soll heißen: Da bewegt sich viel, es werden diverse Effekte eingesetzt (weil’s geht). Amazon hat so einen Zirkus (Zitat Dieter Bohlen) nicht nötig. Amazon hat natürlich auch Schwächen. Aber nutzt man die aus? Nein. Denn man versucht ja, Amazon nachzumachen, gar besser zu sein. Das ist albern.
Sichtbarkeitsindizes
Es ist schwierig, online etwas unabhängig zu messen. Einen Anhaltspunkt bieten die sogenannten »Sichtbarkeitsindizes«. Und die sprechen nun eine klare Sprache. Bertelsmann, ein internationaler Medienkonzern, liegt bei rund 1,5 … Miele liegt aktuell bei rund 7,5 … deutsche Websites rangieren meist im zweistelligen Bereich, einige wenige im dreistelligen Bereich. Amazon Deutschland liegt hingegen bei mehr als 2.800. Noch Fragen?
Komplexität
Das Thema ist hochkomplex. Man muss das alles im Einzelfall und differenziert betrachten, man muss aber auch das Große und Ganze im Auge haben. Es ist jedenfalls so: Angenommen, man wollte online etwas in Gütersloh kaufen. Dann findet man vielleicht den einen oder anderen Shop … oder auch nicht. Und man findet Händler, die bei größeren Shops mitmachen, die dann aber meist wenig überzeugend sind, die versuchen, gegen Amazon anzustinken. Sie versuchen, Amazon nachzumachen, gar besser zu sein. Hahaha.
Wenn ich doch nun vor Ort bei meinen »Freunden und Nachbarn« einkaufen soll (so sagt es ja die IHK), dann soll mir doch mein »Freund und Nachbar« online gegenübertreten. Und tut er das? Nein, er tut es nicht. Er setzt sich durch sein Auftreten der Beliebigkeit aus. Er versucht gar, einen auf Jeff Bezos zu machen.
Das Internet fördert Monopole, es bedingt sie geradezu. Das muss man im Blick haben. Das bietet Chancen, die aber kaum genutzt werden. Jedenfalls braucht man keine zwei Amazons und man braucht keine zwei Googles. Es gibt durchaus so etwas wie ein Subsidiaritätsprinzip im Internet. Aber das muss man dann auch adäquat nutzen.
Es funktioniert jedenfalls nicht mit Sachargumenten, Behauptungen, oder indem man Amazon nachmacht. Das schafft man nicht.