Die etwa 500 Kilometer große »#Vesta« ist der größte #Asteroid. Wie ihre zahlreichen Begleiter im Asteroidengürtel gehört sie zur »Urmaterie« des #Sonnensystems. Eine in »Nature Astronomy« veröffentlichte Studie kommt nun zu dem Schluss: »Vesta« war sehr viel früher einer zweiten umfangreichen Einschlagserie großer Gesteinskörper ausgesetzt als bislang angenommen. Dies lässt den Rückschluss zu, dass das ganze innere Sonnensystem deutlich zeitiger von diesem sogenannten späten »#Bombardement«â€˜ betroffen war und damit alle erdähnlichen Planeten.
Diese Beobachtung liefert damit auch wichtige Erkenntnisse zur Frühphase unserer Erde. Zu dieser Schlussfolgerung kommt ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung von Geowissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (»#DLR«), der #Universität #Heidelberg, der Freien Universität Berlin und dem #Museum für #Naturkunde Berlin. Bereits während der Entstehung erlebte »Vesta« ein erstes großes »Bombardement«-Ereignis, das aber nicht die Zusammensetzung des Mantels erklären kann.
Für eine Studie führte Dr. Wladimir Neumann vom DLR-Institut für Planetenforschung sowie dem Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg zahlreiche Modellrechnungen der thermischen Entwicklung Vestas durch. Dadurch konnte der Zeitraum der frühen Einschläge besser eingegrenzt werden. »Damit das Material der einschlagenden Körper dem Gesteinsmantel der jungen Vesta überhaupt einigermaßen homogen beigemischt werden kann, muss dieser heiß genug sein und sich, von der inneren Wärme angetrieben, konvektiv umwälzen«, erklärt Dr. Neumann die Analysen. »Unsere Modelle haben ergeben, dass dies nur für Einschläge innerhalb der kurzen Zeitspanne vor 4,56 bis etwa 4,50 Milliarden Jahren zutrifft, also fast unmittelbar nach der Entstehung der Planeten im inneren Sonnensystem.«
Aufregende Landschaften am Südpol von Vesta
Die aus einem #digitalen #Geländemodell berechnete Ansicht des Asteroiden »Vesta« zeigt einen Schrägblick auf die von Einschlägen zerklüftete Südpolarregion. Das Bild hat eine Auflösung von etwa 300 Metern pro Pixel und der vertikale Maßstab ist um das 1,5-fache gegenüber dem horizontalen Maßstab überhöht. Der Berg in der Bildmitte ragt etwa 20 Kilometer aus dem Rheasilvia-Becken heraus.
Bislang ging man davon aus, dass die Hauptphase dieser Bombardierung erst einige hundert Millionen Jahre später erfolgte, etwa zu der Zeit, als auf dem Mond einige der großen Einschlagskrater entstanden. Für den #Erdmond und wohl auch für die anderen terrestrischen #Planeten zeichnet sich durch diese Untersuchung jedoch ab: Die Hauptmasse dieser »Bombardierung« erreichte die Planeten sehr früh nach ihrer Entstehung ähnlich wie bei »Vesta«.
Dieser Befund beruht neben Modellierungen auf Analysen von Meteoriten irdischer Sammlungen, deren Mutterkörper mit großer Wahrscheinlichkeit Vesta ist – die sogenannten »HED-Meteoriten«. Die Abkürzung beruht auf den Anfangsbuchstaben einer Untergruppe seltener Steinmeteoriten, den Howarditen, Eukriten und Diogeniten, die Ähnlichkeiten mit magmatischen Gesteinen auf der Erde aufweisen. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung müssen sie von einem schon »differenzierten« planetaren Körper stammen, in dem sich schwere, metallische Elemente in einem Kern angereichert haben, der von einem leichteren Gesteinsmantel und einer noch leichteren Kruste umgeben war und magmatische Prozesse Veränderungen verursacht haben.
Planetare Körper wuchsen durch das Bombardement weiter
Numerische Simulationen und Untersuchungen mit der #NASA-Raumsonde »Dawn« aus den Jahren 2011 und 2012 an Vesta zeigen heute ein neues Bild von der Chronologie der Kollisionsgeschichte im frühen Sonnensystem. Die erdähnlichen Planeten im frühen Sonnensystem wuchsen zunächst durch das Zusammenballen winziger, aneinanderhaftender Staubkörner, im Endstadium dann durch Einschläge immer größerer Gesteinskörper. Dies trifft auch auf den Asteroiden »Vesta« zu. Während des Wachstumsprozesses heizte sich »Vesta« in der Frühphase ihrer Entwicklung immer stärker auf, so dass ein oberflächennaher Magmaozean aus geschmolzenem Silikatgestein sowie ein flüssiger metallischer Kern im Inneren entstanden.
Im Laufe der Zeit schlugen andere Körper auf der Kruste von Vesta ein, wodurch auch Material ins All geschleudert und ins innere Sonnensystem transportiert wurde. So gelangten gelegentlich Gesteinstrümmer von Vesta als Meteorite auf die Erde. Chemische Analysen dieser Meteorite haben gezeigt, dass auch nach der Bildung von Vestas Kern weitere kosmische Einschläge die Zusammensetzung von Kruste und Mantel des Asteroiden verändert haben. »Diese Materialzufuhr war in der Frühphase jedoch deutlich größer als danach« erläutert Professor Harry Becker von der Freien Universität Berlin, einer der Autoren der Untersuchung. Vesta wurde von mindestens zwei sehr großen Körpern aus dem Asteroiden-Hauptgürtel getroffen, wovon zwei mehrere hundert Kilometer große Einschlagsbecken am Südpol zeugen, die mit einer vom DLR und der Max-Planck-Gesellschaft entwickelten Kamera an Bord der »Dawn«-Mission entdeckt wurden.
Spuren gewaltiger Kollisionen auf »Vesta«
Die Oberfläche des Asteroiden »Vesta« weist am Südpol zwei riesige, sich überlagernde Einschlagskrater mit etwa 400 und 500 Kilometern Durchmesser auf – »Rheasilvia« und »Veneneia«. Im geometrischen Mittelpunkt von Rheasilvia ragt ein 20 Kilometer hoher Zentralberg auf, der beim Zurückfedern der Oberfläche nach dem Einschlag entstand. Dabei wurde viel Material von Vesta weggeschleudert und es entstanden zahlreiche neue, kleinere Asteroiden, die sogenannten Vestoiden. Einige Bruchstücke sind als Meteoriten bis zur Erde gelangt.
Auch die Erde hatte einen Magmaozean und eine glühend heiße Atmosphäre
Zudem stammen die einschlagenden Körper offenbar nicht, wie bislang vermutet, aus dem heutigen Asteroidengürtel, sondern aus dem inneren Sonnensystem, in dem sich die erdähnlichen Planeten gebildet haben. »Für unsere #Erde unterstreicht dies nochmals die Bedeutung einer frühen heißen Phase mit einem Magmaozean, der durch große Einschläge fortlaufend erneuert wurde. In dieser Zeit war die erste Atmosphäre der Erde über viele Millionen Jahre glühend heiß. Erst viel später konnten sich Wasserozeane bilden, indem der heiße Wasserdampf abkühlte und abregnete«, erläutert Prof. Dr. Kai Wünnemann vom Museum für Naturkunde und der FU Berlin.
Die Forschungsarbeiten an der Universität Heidelberg wurden von der Klaus Tschira Stiftung gefördert. Die Beiträge aus Berlin und Münster sind Teil des »Sonderforschungsbereichs-Transregio TRR 170« »â€šLate Accretion onto Terrestrial Planets« der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. An der internationalen Studie beteiligt waren außerdem Wissenschaftler der Macau University of Science and Technology (Macau), der Université de Nice Sophia-Antipolis (Frankreich), der »University of California at Davis« und der »University of California San Diego« (beide #USA), der Universität Bayreuth, dem »Planetary Science Institute« in Tucson (USA), und dem »Institut für Planetenforschung« des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Originalpublikation
M.-H. Zhu, A. Morbidelli, W. Neumann, Q.-Z. Yin, J.M.D. Day, D.C. Rubie, G.J. Archer, N. Artemieva, H. Becker, K. Wünnemann: »Common feedstocks of late accretion for the terrestrial planets«. »Nature Astronomy«, 30. September 2021, https://doi.org/10.1038/s41550-021-01475-0