Mit Berufen, die nur im Sitzen und Stehen vollzogen werden können, sind Rückenschmerzen kaum zu umgehen. Zu Zeiten der Digitalisierung versucht man häufig, diese Beschwerden zunächst eigenständig zu lösen – dabei schlägt das Internet oftmals die sogenannte Faszienrolle als Hilfsmittel gegen Rückenschmerzen vor. Der Begriff »Faszie« kommt ursprünglich aus dem Lateinischen und bedeutet »Band«. Die Faszien sind im Bindegewebe des Körpers zu finden, umschließen als eiweißhaltige Netze die Muskeln und halten das Gewebe zusammen.
Die Faszienrolle soll die Regeneration und Entspannung der Muskeln unterstützen und Rückenschmerzen lindern.
Aber stimmen die Versprechungen, die das Internet macht und ist es wirklich sinnvoll, auf eigene Faust mit der Faszienrolle loszulegen?
Dazu hat Alexander Srokovskyi, Physiotherapeut und Experte für Schmerzbehandlung, einige Ratschläge.
Schadet die Faszienrolle dem unteren Rücken?
»Öfters fragen mich Patienten, ob eine Selbstbehandlung mit der Faszienrolle bei Rückenschmerzen sinnvoll sei. Hier kann ich ganz klar sagen: Das ist nicht unbedingt zu empfehlen, da der inkorrekte Gebrauch schnell zu Verletzungen führen kann. Je nach Beschwerden würde ich von der Nutzung sogar ausdrücklich abraten, da dadurch dauerhafte Schäden bewirkt werden können. Der Grund dafür ist: Eine Behandlung mit der Faszienrolle kann passive Strukturen wie Bandscheiben, Bänder und Gelenke überbeanspruchen«, verdeutlicht Srokovskyi.
Der untere Rücken ist oftmals bereits zu beweglich und sollte daher stabilisiert werden, jedoch wissen das die meisten Menschen nicht. Das große Problem der Faszienrolle ist, dass sie kurzfristig ein Gefühl der Entlastung bewirkt, aber langfristig die unwillkommene Beweglichkeit im unteren Rücken noch verschlimmert.
»Der untere Rücken trägt den Körperschwerpunkt und soll mit dem Rumpf und der tiefen Muskelschicht stabilisiert werden. Statt diesen jedoch zu stabilisieren, wird mit der Faszienrolle mehr Bewegung in den unteren Rücken gebracht. So werden die passiven Strukturen, also die Bandscheiben, Bänder und Gelenke noch mehr belastet, da die aktive Haltearbeit der Muskulatur kurzfristig herabgesetzt wird«, führt Srokovskyi aus.
So können auf lange Sicht auch Probleme am Iliosakralgelenk entstehen. Das Iliosakralgelenk befindet sich zwischen dem unteren Rücken und dem Becken und besitzt eine überaus geringe Beweglichkeit – es lässt sich nur zwei bis vier Millimeter in jede Richtung bewegen. Unternimmt man also den Versuch, seine Rückenschmerzen mithilfe einer Faszienrolle zu bekämpfen, wird häufig das Gegenteil von dem bewirkt, was man sich wünscht.
Die Faszienrolle verstärkt das Ungleichgewicht im Rücken
Um die Wirbelsäule eines Vielsitzers zu verbildlichen, kann man sich die Wirbel als Gummibänder vorstellen: Der obere Rücken ist ein schwarzes festes Band, der untere Rücken ein elastisches gelbes Band und die Hüfte noch ein schwarzes festes Gummiband. Versucht man an der Hüfte und dem oberen Rücken zu ziehen, wird sich nur der untere Rücken bewegen.
Das liegt an der geringen Dehnbarkeit der schwarzen Bänder. »Versucht man mithilfe der Faszienrolle, den unteren Rücken auszurollen, wird man das ohnehin belastete, elastische gelbe Band noch elastischer machen«, erklärt der Experte. »Man würde also dafür sorgen, dass die passiven Strukturen im unteren Rücken immer mehr Belastung aufnehmen müssen. Die passiven Strukturen sind in dem Fall die Bandscheiben, Bänder und Gelenke, welche wir doch eigentlich schützen möchten.«
So wird die Faszienrolle richtig angewendet
Nichtsdestotrotz kann die Faszienrolle in anderen Bereichen sehr sinnvoll eingesetzt werden. Statt die Faszienrolle am unteren Rücken zu verwenden, kann man sie beispielsweise zur Mobilisierung der Hüfte benutzen. So wird die Hüfte beweglicher und kann mehr Bewegung aufnehmen, um die Lendenwirbelsäule zu entlasten. Das notwendige anatomische Wissen um die funktionellen Zusammenhänge sowie eine fachmännische Anleitung sind allerdings ausschlaggebend, um Schäden durch die Faszienrolle zu vermeiden und stattdessen Schmerzen und Beschwerden langfristig vorzubeugen.
Über Alexander Srokovskyi
Alexander Srokovskyi, Geschäftsführer der »ProVita Physiotherapie« in Baden-Baden, bietet seinen Patienten als Experte eine ganzheitliche und wissenschaftliche Diagnostik und darüber hinaus eine Behandlung in einem familiären Umfeld.