Bielefeld (fhb). Bunte Kugeln wirbeln in der Luft. Mehrere Mädchen und Jungen navigieren einen selbstgebauten Roboter durch einen Hindernisparcours. Gelächter und aufgeregte Stimmen schallen durch den Raum. Ein Bild, das einen typischen Vormittag im »experiMINT Schülerlabor« der Fachhochschule (FH) Bielefeld widerspiegelt – vor Corona, versteht sich.
Verbindung von Spaß und Wissenschaft
Im Jahr 2011 öffnete das »experiMINT« erstmalig seine Pforten für Kinder und Jugendliche aller Altersklassen, um sie auf eine Reise durch die Welt der Ingenieurwissenschaften mitzunehmen – nun feiert das Labor der FH Bielefeld sein zehnjähriges Jubiläum. Zehn Jahre gefüllt mit spannenden Workshops, immer neuen Experimenten, bunten Ãœberraschungen und vielseitigen technischen Themen. Von Anfang an steht dabei ein konkretes Ziel im Vordergrund: Wissenschaft und Spaß verbinden, um das Interesse junger Menschen für technische Studiengänge und Berufe zu wecken.
»Bei uns werden die Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen in altersgerechten Workshops spielerisch an die Themen der Ingenieurwissenschaften herangeführt«, erklärt Silja Stark, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Labors seit dessen Gründung. »Planen, Konstruieren, Löten, Sägen, Basteln, Bauen oder Programmieren – und das alles auf eigene Faust. Durch das selbstständige Experimentieren wollen wir den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeiten bieten, sich Zusammenhänge zu erschließen, Wissen zu erarbeiten und mit den eigenen Händen etwas zu erschaffen. Darüber hinaus kommt auch die Förderung von Softskills wie Teamarbeit und Kreativität nicht zu kurz.«
Wissenschaftliche Nachwuchsförderung
Vor rund einer Dekade entstand das Schülerlabor als ein Gemeinschaftsprojekt des Fachbereichs Ingenieurwissenschaften und Mathematik der FH Bielefeld und des ZDI-Zentrums »experiMINT Bielefeld«. »Die FH Bielefeld hat sich schon immer auch als Lernort für Schülerinnen und Schüler verstanden. Mit dem Schülerlabor konnten wir einen zentralen Bestandteil der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung etablieren. Mehr als 10.000 Schülerinnen und Schüler haben seit der Eröffnung in dem Labor experimentiert und geforscht«, erklärt Prof. Dr. Joachim Waßmuth, Mitbegründer und ehemaliger Leiter des »experiMINT«.
Zunächst noch angesiedelt am Standort »Am Stadtholz«, bezog das »experiMINT« mit dem Umzug der FH auf den Campus Nord im Jahr 2015 sein jetziges Quartier in einem multifunktionalen Werk- und Technikraum mit viel Platz für Schulklassen. Die Workshops dauern in der Regel vier Stunden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studenten betreuen die Kinder und Jugendlichen.
Technik trifft Medizin: Interdisziplinarität rückt in den Fokus
Die Themen reichen von der Robotik und Elektronik über das Bauen und Konstruieren bis hin zu erneuerbaren Energien. Wie seine jungen Besucherinnen und Besucher hat sich das Labor über die Jahre stetig weiterentwickelt und ist dabei thematisch immer am Puls der Zeit: „Dank einer Förderung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kann sich das Schüler*innenlabor seit zwei Jahren nicht nur ingenieurwissenschaftlichen, sondern auch interdisziplinären Themen zuwenden“, erzählt Prof. Dr. Lars Fromme, aktueller Leiter des Schüler*innenlabors und Professor für Physik, Numerik sowie Multiphysik-Simulation. „Zum Beispiel sind aus einer fachbereichsübergreifenden Zusammenarbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren mit Pflegewissenschaftlerinnen und Pflegewissenschaftlern neue Experimentierangebote hervorgegangen, in denen das Thema Gesundheitstechnik im Mittelpunkt steht. Dazu zählt beispielsweise ein Workshop, in dem Orthesen und Prothesen erst konstruiert und dann im 3D-Druckverfahren produziert werden.“
In Zukunft soll mithilfe verschiedener Kooperationen, wie derzeit bereits mit der Universität Bielefeld zum Thema Biomedizin und Medizintechnik, das Repertoire des Labors noch erweitert werden. Silja Stark: »Unser Anspruch ist es, jungen Menschen einen vielfältigen und interdisziplinären Einblick in die Ingenieurwissenschaften zu geben. Dabei liegt unser Hauptaugenmerk auf Jugendlichen der weiterführenden Schulen, um sie bei der Berufs- und Studienorientierung zu unterstützen. Dennoch behalten wir die gesamte Bildungskette im Blick und haben dementsprechend auch Angebote für KiTa- und Grundschulkinder sowie für Lehrkräfte in unserem Portfolio.«
Zehn Jahre voller großer und kleiner Momente
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Das Schülerlabor kann auf viele außergewöhnliche Erlebnisse in den vergangenen zehn Jahren zurückblicken: »Sei es der Drehtag mit dem Kinderkanal von ARD und ZDF für das Format‚ Triff Leonardo da Vinci‘ vor drei Jahren oder die spannenden Besuche verschiedener Politikerinnen und Politiker. Auch internationale Delegationen waren schon hier«, erinnert sich Silja Stark. Darüber hinaus beteiligt sich das »experiMINT« jedes Jahr mit einem bunten Programm an dem Tag der offenen Tür der FH Bielefeld, am bundesweiten Girls‘- und Boys‘-Day oder an MINT-Feriencamps.
»Letztlich sind es aber vor allem die kleinen Momente, die im Gedächtnis bleiben: stolze Kinder, die ihre selbstgebauten Roboter aus dem Labor tragen oder Teenager, die sich aus der Reserve locken lassen und plötzlich begeistert mitmachen«, resümiert die studierte Soziologin.
Neue Formate und Inhalte durch Corona
Die Corona-Pandemie ist jedoch auch an dem »experiMINT« nicht spurlos vorbeigegangen: Die in den vergangenen anderthalb Jahren geplanten Präsenzveranstaltungen mussten abgesagt werden, eine Öffnungsperspektive gab es lange Zeit nicht. Eine ungewohnte Situation für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des bis dato stets mit Leben gefüllten Labors. Doch das Team machte das Beste aus der Situation und entwickelte kurzerhand neue, digitale Formate: »Im Zuge der Pandemie haben wir gelernt, dass das Labor auch auf Distanz funktionieren kann. Herausfordernd war es vor allem, den Anspruch des ›experiMINT‹ aus der realen Welt in die digitale zu übertragen«, so Prof. Fromme. »Nichtsdestotrotz haben wir es geschafft, ein Angebot zu entwickeln, das auch online funktioniert, wie beispielsweise der Workshop ›Konstruktion und 3D-Druck – Handyhalterung‹ zeigt.« In diesem Workshop konstruieren die Teilnehmenden am heimischen Computer oder Tablet eine eigene Halterung für ihr Smartphone. Dafür arbeiten sie mit einer Konstruktionssoftware, die für Schülerinnen und Schüler sowie Bildungseinrichtungen kostenlos zur Verfügung steht und auch in der wirklichen Arbeitswelt von Ingenieurinnen und Ingenieuren zum Einsatz kommt. Am Ende werden die Konstruktionen mit dem 3D-Drucker des Labors ausgedruckt und zum Zusammenbauen an die Teilnehmenden verschickt.
Ein Veranstaltungskonzept mit Erfolg: Das digitale Oster- und Sommerferienangebot für Schülerinnen und Schüler war umgehend ausgebucht, das Team konnte sich vor Anfragen kaum retten. »Plötzlich hatten wir Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus nahezu ganz Deutschland – von Hamburg bis Ludwigshafen. Ein toller Pluspunkt, der uns dazu bewogen hat, dieses Format in ähnlicher Art auch in Zukunft neben den Präsenzworkshops weiterzuführen«, schildert Silja Stark.
Vorfreude auf die nächsten zehn Jahre Schülerlabor
Dennoch freuen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Zeit, wenn die Veranstaltungen wieder vor Ort stattfinden können: »Bei den Videokonferenzen kommt leider das materielle, handwerkliche Arbeiten auf Dauer zu kurz, und auch die normalerweise in der Luft liegende, für alle spürbare Begeisterung geht über den Computerbildschirm teilweise verloren«, erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sollte es die Infektionslage zulassen, könnte das Labor nach den Sommerferien wieder erste Präsenzveranstaltungen mit Schulklassen durchführen.
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So steigt umso mehr die Vorfreude auf weitere zehn Jahre Wissenschaftsspaß vor Ort im »experiMINT« und die Hoffnung, dass Kinderlachen, Gewusel und Begeisterung bald wieder Einzug in die Räumlichkeiten des Labors halten werden.