Es ist die Nachricht des Tages: Kardinal Reinhard Marx hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. »Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit« (2 Kor. 3,17), so lautet das Bischofs- und Lebensmotto des Erzbischofs von München und Freising. Einheit in Freiheit – das ist das Credo des prominentesten Kirchenvertreters Deutschlands, der für die Erneuerung der Kirche geworben und gestritten hat, als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz wie als Berater von Papst Franziskus.
In der dunkelsten Stunde der katholischen Kirche, in der es »viel persönliches Versagen und administrative Fehler« gegeben hat, aber »eben auch institutionelles oder systemisches Versagen«, übernimmt da jemand Verantwortung, der auch persönlich zutiefst erschüttert ist. Kein Betonkopf und kein Hardliner, sondern einer, der in seinem Glauben angefochten ist angesichts des unfassbaren Leids, das den Betroffenen sexuellen Missbrauchs zugefügt worden ist – und das unter dem Deckmantel der Kirche. Einer der nicht wegschaut, frei nach dem Motto: »Augen zu und durch«, sondern einer, der genau hinschaut und der sich betreffen lässt von dem, was er sieht.
Während die Meldung vom Rücktritt des Kardinals über den Ticker läuft, liegt auf meinem Schreibtisch noch der Aufmacher des letzten
Spiegel: »Gottes ignorante Diener«, illustriert mit einem Bischofskopf, dem man die Bischofsmütze (lateinisch »Mitra«) über Ohren und Augen gezogen hat. Ein Bild »von gestern«, ignorant und unangemessen angesichts der Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, mit der der Münchener Kardinal hier ein Beispiel gibt, sehenden Auges den aufrechten Gang zu üben – im Vertrauen auf den Geist, der in die Freiheit führt. Das ist wahrlich kein Zeichen von Ignoranz, sondern von innerer Freiheit und menschlicher Größe. Dem begegnen wir in der Kommende mit großem Respekt.
Peter Klasvogt